Nachtmahl im Paradies
hängt?«, hakte Jacques wenig begeistert ein.
»Ach ja, bitte achte darauf, dass das Hemd ordentlich gebügelt ist, sonst …«
»Gustave!«
»Ja?«
»Ich brauche kein Kindermädchen. Und erst recht keinen Stilberater.«
»Da bin ich mir nicht so sicher, mein Freund. Wie auch immer: Du darfst Catherine um Viertel nach sieben in ihrem Hotel abholen.«
»Ich darf?«
»Ja, so hat sie es ausgedrückt. Und bitte sei pünktlich, sie ist Amerikanerin!«
An Gustaves Tonlage erkannte Jacques, dass dieser nicht zu Scherzen aufgelegt war und dass er sich keinen weiteren Fauxpas erlauben durfte. Etwas, worauf er sich den ganzen Abend würde konzentrieren müssen.
Ein paar Stunden später fuhr Jacques die sanft geschwungene Kiesauffahrt zu dem kleinen Hotel ein paar Minuten außerhalb von Trouville hoch, das eher eine hübsche, verwunschene Landpension war – umrankt von der Märchenwelt eines riesigen Gartens voller bunter Sommerblumen. Schon von weitem erkannte er den schwarzen Geländewagen, der neben dem Gebäude irgendwie überdimensioniert wirkte, nur wenig kleiner als das Haus selbst. Kaum war Jacques mit seiner leise surrenden DS vor dem Eingangsportal vorgefahren, da trat Catherine auch schon hinaus in den milden Abendwind, in einem eleganten, seidig glänzenden nachtschwarzen Abendkleid, das ihren für eine Amerikanerin überraschend schlanken Körper hinab bis kurz über die Knie floss. Jacques musste schlucken, als er sie erblickte – und er konnte in diesem Augenblick nicht beurteilen, ob es ein erfreutes Schlucken war, in Anbetracht dessen, was seine Augen hier sahen, oder eher ein ängstliches, das sich vor dem fürchtete, was nun auf ihn zukam: seinem Kniefall – in der einschlägigen Literatur auch als Gang nach Canossa bekannt.
Er hatte vorgehabt, schwungvoll aus dem Auto zu steigen und sich seine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen, doch nun hievte er sich eher schwerfällig vom Fahrersitz, um dann langsam auf Catherine zuzusteuern, die noch immer vor dem Hotel stand. Doch was war das?
Es war ein Wunder: Sie lächelte ihn an. Mit strahlenden Augen und so vertraut, als wären sie Komplizen in einer geheimen Mission. Kaum hatte er sie erreicht, begrüßte sie ihn mit einem liebevollen Küsschen auf beide Wangen; sie duftete zart nach Vanille, flankiert von Apfel und einem Hauch Zimt. Mit einem solchen Wiedersehen hatte er nicht gerechnet. Sie machte es ihm in der Tat unmöglich, unfreundlich zu ihr zu sein. Was war passiert?
Hatte er sich etwa schon bei ihr entschuldigt, um danach den Verstand zu verlieren, alles zu vergessen und sie hier und jetzt wiederzutreffen – ohne die kleinste Erinnerung an das, was zwischenzeitlich vorgefallen war? Unsinn, beruhigte sich Jacques. Alles war in Ordnung. Sie war eben eine Frau. Ein fremdes Wesen, dessen Schachzüge er nie durchschauen würde. Die einzige Frau, die er jemals wirklich zu durchschauen vermocht hatte – und das im ganz und gar positiven Sinn, bis in die entlegensten Winkel ihres Herzens –, war Elli gewesen. Seine Seelenverwandte.
»Fahren wir los?«, flötete Catherine.
Jacques musste sich beeilen, ihr hinterherzukommen, um ihr wie geplant die Wagentür aufhalten zu können. Mit einem freundlichen »Merci!« nahm sie die Geste an und ließ sich in den tiefliegenden Sitz fallen. Seit Elli war ihm keine Frau beim Autofahren so nah gekommen.
»Nun hier abbiegen, voilà !« , ordnete sie nur unwesentlich später mit sanfter Stimme an, als wäre sie sich ihrer Sache mehr als sicher.
»Wirklich?«
Vor ihnen lag die Route de Paris , die in die Hauptstadt führte.
Catherine nickte.
»Dann sind wir aber ein Weilchen unterwegs«, gab Jacques zu bedenken.
»Keine Angst«, beruhigte sie ihn, als hätte sie seine Gedanken erraten. »Vor eine paar Jahre war ich schon einmal hier.«
Einen Moment lang fragte er sich, ob sie nur so tat, als wäre sie ortskundig. Um ihn zu beeindrucken.
»Ah, daher sprechen Sie so ausgezeichnet Französisch«, versuchte Jacques sich an einem kleinen Kompliment, während er den von ihr vorgegebenen Weg einschlug. Komplimente an eine Frau, die man erst seit kurzem kannte und mit der man rein geschäftlich verkehrte, durften und mussten leicht und einen Hauch unterkühlt sein. Wie ein Gläschen Rosé oder Champagner, das man zur Begrüßung auf einer Sommerparty in die Hand gedrückt bekommt.
»Das ist nett, wirklich«, bedankte Catherine sich und lächelte ihn von der Seite an. Er warf ihr einen kurzen Blick aus
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