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Nachtmahl im Paradies

Nachtmahl im Paradies

Titel: Nachtmahl im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bennett Ben
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Tagen kaum etwas los gewesen, zwei oder drei besetzte Tische, mehr nicht – trotz Hochsaison und Terrasse. Jacques musste sich also keine übertriebenen Sorgen ums Geschäft machen, als er sich für einen außerplanmäßigen Ausflug auf den Piratenmast entschied. Er war mit eingezogenem Kopf unterwegs und bereits auf halbem Weg durch den Dachboden zum Giebel, wo sich der Aufstieg befand, als er plötzlich ein leises elektronisches Piepen vernahm. Am Handgelenk trug er wie immer die mechanische Patek Philippe, die er sich vor langer Zeit gegönnt hatte, als er für das Paradies den ersten Stern vom Himmel geholt hatte, die Geschäfte brummten und er glücklich war wie nie zuvor mit seiner Elli und seinem Leben. Von der Uhr konnte das Geräusch also nicht stammen – und ein Handy konnte es ebenfalls nicht sein, da er keines besaß. Piep, piep, piep. Das Geräusch kam aus einer Ecke, in der sich alte Umzugskartons mit Erinnerungen stapelten, die vor Ewigkeiten Teil seines Lebens gewesen waren: Bücher, Schallplatten, altes, unmodisch gewordenes Porzellan, Decken. Alles ausrangierte Sachen, die, obwohl ihre Zeit schon lange abgelaufen war, zu wertvoll waren, um sie einfach in den Müll zu werfen.
    Vorsichtig, um sich nicht den Kopf an einem der Deckenbalken zu stoßen, näherte er sich einer der Kisten im Halbdunkel und öffnete sie. »Dies und das«, stand auf dem noch immer intakten Pappkarton in Ellis perfekt gleichmäßiger Handschrift. Die Kiste lagerte seit Urzeiten dort oben, möglicherweise länger. Trotzdem piepte es aus ihr.
    »Das gibt’s doch nicht«, flüsterte Jacques, den Übeltäter in der Hand, nachdem er den breiten Klebebandstreifen abgezogen und den Karton geöffnet hatte. Der Casio-Digitalwecker, dessen Design noch aus den achtziger Jahren stammen musste, war ein hässliches, kantiges schwarzes Ding. Über so viele Jahre hatte es geruht ohne den leisesten Mucks – um sich plötzlich wie von Geisterhand einzuschalten und ein nervtötendes Piepen von sich zu geben. Begleitet von wild blinkenden Zahlen auf dem Display, die signalisierten, dass man die Zeit einzustellen hatte.
    Jacques drückte zwei oder drei Sekunden lang auf den dafür vorgesehenen Knopf – die Zahlen spulten blitzschnell vor und stoppten schließlich, genau wie das Piepen. Das Display zeigte 1 : 11 an, was Jacques ausreichte – schließlich war er nicht auf den Dachboden geklettert, um einen alten Wecker zu stellen, sondern um sich ihm selbst und der Vergangenheit zu stellen. Um über seine Zukunft nachzudenken. Darüber, ob sich der nicht gerade unbeträchtliche Aufwand letzten Endes lohnte, das Paris gemeinsam mit diesem offenbar vom Himmel gefallenen New Yorker Engel aus dem Sumpf seines zwar langsamen, aber von Jacques tief in seinem Herzen bereits als unaufhaltsam akzeptierten Untergangs zu ziehen.
    Jacques wollte den Karton gerade wieder verschließen – den Wecker würde er vorsichtshalber mit nach unten nehmen, um die Batterien ein für alle Mal zu entfernen, bevor das Ding sich erneut ungefragt zu Wort melden konnte –, als seine Hand unversehens über etwas Weiches, Samtiges fuhr. Es war der Einband eines leichten, außerordentlich schmalen Büchleins. Vorsichtig zog er es aus dem Sammelsurium bunter Dinge, die hier lagerten, bis in eine unbestimmte Ewigkeit eingemottet. Der rote Samtumschlag leuchtete selbst im spärlichen Halblicht des Dachbodens so intensiv, dass Jacques jede einzelne Farbnuance und die Struktur des Stoffbezugs klar erkennen konnte.
    In der Hocke entfernte er sich ein, zwei Schritte von seinem Platz, um den aus dem Giebelfenster einfallenden zarten Lichtkegel zu erreichen. Neugierig schlug er das Büchlein auf – ohne die geringste Idee, welche Geheimnisse es bergen mochte. Um ein Haar hätte er sich am Dachbalken den Kopf gestoßen, als er das nahezu perfekt erhaltene, fast wie frisch abgezogen wirkende Schwarz-Weiß-Foto auf der ersten Seite erblickte: ein Mädchen in einem weißen Hochzeitskleid schlang seine schlanken Arme um den Hals eines schlaksigen Jungen in einem dunklen Anzug. Ein Blitzschlag durchfuhr Jacques’ Herz, als hätte ein Rettungsarzt ihm unversehens einen Defibrillator auf die Brust gesetzt und ihn mit voller Voltzahl aktiviert. Er hielt ihr Hochzeitsfoto in Händen.
    Es war, als hätte jemand eine Schleuse in seinem Kopf geöffnet: Tausend Erinnerungen rissen ihn mit sich fort wie die Stromschnellen eines mächtigen Flusses. Es war, als wäre ein riesiger bunter Schwarm

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