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Nachtmahl im Paradies

Nachtmahl im Paradies

Titel: Nachtmahl im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bennett Ben
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überrascht.« Er rief es ihr über die Schulter hinweg zu, auf seinem triumphalen Rückzug, während er die Schwingtür ungewohnt dynamisch mit beiden Armen aufstieß wie seinerzeit Napoleon, der – nun, ja: barfuß, unrasiert und in einem dunkelblauen Flanellpyjama mit winzigen aufgedruckten goldenen Sternen – auf dem Weg zu seinen Truppen war, um ihnen den Marschbefehl zu überbringen.
    »Wieso überrascht? Du hast das gekocht, oder?«, vernahm er noch.
    Eilig flitzte Napoleon, Version 2.0, wie man in diesen modernen Zeiten wohl sagen würde, die Treppe hinauf in die Wohnung, um sich im Schnellkochtopftempo zu rasieren, zu duschen und sich etwas überzuziehen.
    Im Gegensatz zu seinen Gewohnheiten als junger Mann duschte er inzwischen generell heiß. Früher war er mit heißem Wasser gestartet, um seinen Körper am Ende mit einem eiskalten Strahl abzuschrecken. Nachdem er jedoch wie viele Köche vor ihm herausgefunden hatte, dass es nicht gut war, jede Art von Pasta nach dem Kochen mit kaltem Wasser abzuschrecken, obwohl es lange Zeit empfohlen worden war, hatte er das Prozedere für seinen Körper übernommen und fortan darauf verzichtet, auch diesen abzuschrecken. Wie konnte etwas, das für Teigwaren aus Hartweizen nicht gut war, gut für den menschlichen Körper sein? Während Jacques zügig mit der Rasierklinge über seine Haut fuhr, betrachtete er sich nachdenklich im Spiegel. Er musste geschlafen haben wie ohnmächtig in der vergangenen Nacht, wie nach einem Rausch. Und einen Rausch hatte er erlebt, daran bestand kein Zweifel! Welches andere Wort könnte jenes – viel zu früh erloschene – Feuerwerk der Gefühle beschreiben, das er in der vergangenen Nacht mit Elli erlebt hatte? Ein Feuerwerk, das erneut abrupt erloschen war – gerade als es am schönsten war.
    »Jacques?«, hörte er Catherine ungeduldig von unten rufen.
    Seine neue Partnerin legte ein Tempo vor, dass einem schwindelig werden konnte.
    »Da bist du ja«, empfing sie ihn wenig später im Restaurant, als hätte sie ihn bereits überall gesucht und wäre kurz davor gewesen, eine Vermisstenanzeige aufzugeben. Und das, obwohl er sich wirklich gesputet hatte. » Au revoir ,Pierre und Marion! Auf Nimmerwiedersehen … ihr … Warmduscher . So sagt man doch, oder?«, lobte Catherine ein letztes Mal kämpferisch das Andenken der Säulen, auf denen das Paris in den vergangenen Jahren geruht hatte.
    Eine Ruhe, die fast zur Grabesruhe geworden wäre. So weit ihr erster Kommentar zu dem unerfreulichen Entlassungsgespräch, das sie gestern mit dem ehemaligen Chefkoch geführt hatten.
    »D’accord«, beeilte sich Jacques ihr zuzustimmen. »Obwohl ich einräumen muss, dass ich eben auch warm geduscht habe …«
    »Ach, das ist doch nur so eine Redensart«, beruhigte sie ihn, und sofort schien jeder Ärger aus ihrem Gesicht zu weichen.
    Da war es wieder, dieses ganz besondere belustigte Kopfschütteln, das Catherine auszeichnete. Er hatte den Eindruck, dass sie kurz davor war, ihm die Wange zu tätscheln. Gott sei Dank trug er mittlerweile festes Schuhwerk, eine Jeans und ein hellblaues Hemd, sonst wäre er sich wirklich wie ein kleines Kind oder ein Teddybär vorgekommen.
    »Trotzdem, ich dusche immer kalt«, fuhr sie fort. Plötzlich legte sich eine Art Nachdenklichkeit auf ihr Gesicht, und ihre Augen schienen träumerisch in die Ferne zu schweifen. »Weißt du, Jacques, es ist wie bei eine Hummer. Es tut ihm nicht gut, wenn man ihn lebendig in heißes Wasser wirft, also kann es auch nicht gut sein für die menschliche Körper.«
    Jacques überlegte. Von der Hummer-Theorie hatte er noch nie zuvor gehört, aber es war durchaus etwas Wahres dran. Ein Feinschmecker mochte einwenden, dass es dem Hummer selbstverständlich guttat, in heißem Wasser zu baden – aber das bezog sich letzten Endes nur auf seinen Geschmack und nicht auf das Wohlergehen des Hummers selbst. Was war nun richtig: die Pasta-Theorie oder die Hummer-Theorie?
    Jacques beschloss, bei anderer Gelegenheit noch einmal intensiv darüber nachzudenken. Hier und jetzt war es wichtiger, sich auf die nächsten Schritte zu konzentrieren und das Paris wieder flottzumachen. Es war das erste Mal seit Jahren, dass ihm ein solcher Gedanke durch den Kopf ging. Dass er nach vorne blickte. Dass ihm die Idee, es könnte so etwas wie eine Zukunft für ihn geben, nicht mehr völlig absurd erschien. Auch wenn ihm vorerst noch schleierhaft war, wie diese Zukunft aussehen konnte und auf welchen Wegen er

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