Nachtmahl im Paradies
wieder so hoffnungslos verschlafen, wie es ihm heute passiert war. Er betete, dass sie wieder da wäre. Obwohl es erst Mittag war, zählte er bereits die Stunden bis zum Abend.
»Einverstanden«, erwiderte Catherine, ohne ihn weiter zu bedrängen.
Er atmete auf. Obwohl ihm der Gedanke, mit ihr einen Abend zu zweit an einem schön gedeckten Tisch bei Kerzenlicht zu verbringen, mit jedem Tag, den er sie besser kennenlernte, weniger Schrecken einjagte.
»Die Haus wird dir gefallen, es ist eine romantische Naturhaus und drumherum nur weite Wiesen. Du kannst also deine Pferd und die Esel mitbringen.«
Woher wusste sie, dass die beiden zu ihm gehörten? Nun, wahrscheinlich lag es daran, dass sie eine Frau war. Frauen wussten immer mehr, als die Männer glaubten oder sich logisch erklären konnten.
»Ich werde es ihnen ausrichten«, dankte Jacques ihr und versuchte ein einigermaßen nettes Lächeln hinzubekommen.
Wenn man bestimmte Gesichtsmuskeln lange Zeit nicht nutzt, rosten sie einfach so ein. Selbst wenn das, was man ausdrücken will, ehrlich gemeint ist. Er hatte das Gefühl, dass es ihm einigermaßen gelang – zumindest fühlte es sich ähnlich an wie damals, als er zum letzten Mal ehrlich gelächelt hatte. Das war vor … nun … einigen Jahren oder so.
»Allerdings fahren die beiden nur ungern Auto«, ergänzte er, begleitet von einem Augenzwinkern, denn er konnte sich eine Anspielung auf ihr erstes Zusammentreffen einfach nicht verkneifen. »Zu viele Unfälle in letzter Zeit auf der Landstraße.«
Nun lächelte auch Catherine wieder. Es war ein … ja, ein wirklich schönes Lächeln. Er konnte sich zwar nicht genau erklären, warum, aber anscheinend mochte er sie.
»Ja, davon ich habe auch gehört.« Sie erhob tadelnd den Zeigefinger, so als wäre er für diese Unfälle verantwortlich.
»Dann können wir auch besprechen, was künftig auf die Karte stehen soll«, schlug sie vor.
»Solange das Paris kein vegetarisches Restaurant wird, bin ich mit allem einverstanden.«
»Oh, das ist schade.« Sie klatschte seufzend in die Hände. »Aber es muss neu sein, nicht wie alle die andere Restaurants hier. Ich dachte, wir eröffnen die erste französisch-amerikanische, rein vegetarische Nouvelle-Cuisine-Restaurant in die Normandie?«
Der Gedanke daran verursachte Jacques sofortige Bauchschmerzen. Er musste es ihr möglichst schonend beibringen. Und gleichzeitig so, dass Missverständnisse ausgeschlossen waren.
»Gut. Aber nur, wenn ich zwei Dinge ergänzen darf.«
»Und die wären?« Erwartungsvoll schaute sie ihn an, als wäre sie ein kleines Mädchen und er der Weihnachtsmann.
»Ein bisschen Fisch und ein bisschen Fleisch.«
Sie lachte. »Oh, Jacques. Du bist wirklich eine Franzose, wie er in die Bücher steht!«
»So? Was sagen denn die Bücher über uns Franzosen?«
»Nun, in Amerika sagen sie, die Franzosen sind ganz schön stur, richtig?«
»Wenn es um Qualität geht, eindeutig ja. Und wenn wir schon mal dabei sind: Was sagen die Bücher über Amerikanerinnen?«
»Dass sie immer zu früh ja und amen zu allem sagen.« Es kam wie aus der Pistole geschossen.
Eines musste man Catherine lassen: Sie hatte Humor. Abgesehen davon, dass sie eine intelligente Warmherzigkeit versprühte und es Jacques aus irgendeinem Grund Freude bereitete, sie anzusehen. Sie mochte keine klassische Laufstegschönheit sein, aber irgendetwas Helles strahlte aus ihrem Innern wie ein – ja, wie ein Stern. Oder zumindest eine Sternschnuppe. Er war sich sicher, dass die Gäste sie lieben würden. Und ihr charmantes Französisch würde zusätzlich dazu beitragen.
»Dann sind wir uns also einig?«
» Oui! «, bestätigte sie fröhlich, wie es die Bücher über amerikanische Frauen offenbar vorschrieben. »Die Rest klären wir dann bei die Abendessen in meine Haus, würde ich sagen. So, und nun muss ich los: Zu die Bank und schnell noch ein paar Mäuse auf die Konto von diese Restaurant tun, bevor sie zumacht. Auch wenn Mäuse in Restaurants normalerweise nicht willkommen sind, oder?«
Ohne seine Antwort abzuwarten, schnappte Catherine sich ihre Handtasche, drückte ihm links und rechts ein Küsschen auf die Wange und eilte hinaus. Sie trat in den zumindest nach Jacques’ Zeitrechnung noch jungen, aber bereits von Licht und Wärme erfüllten Sommertag, der sie erwartete wie eine göttliche Aufforderung zum Glücklichsein. Der wolkenlose, enzianblaue Himmel und die gleißende Mittagssonne, die wie eine riesige Sumpfdotterblume
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