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Nachtmahl im Paradies

Nachtmahl im Paradies

Titel: Nachtmahl im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bennett Ben
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schüttelte innerlich den Kopf, doch zugleich war ihm, als würde sein Herz in zwei warme Hände gebettet. Es war … berührend – genau, das war das richtige Wort. Es war berührend, wie sie mit den Tieren umging. Er selbst plauderte auch täglich mit ihnen – aber nur selten so ausführlich und im Detail, als könnten sie jedes seiner Worte verstehen. Das hatte allein Elli vermocht. Es war unglaublich, wie sehr Catherine ihr in diesem Punkt ähnelte, auch wenn sie sonst vollkommen anders sein mochte. Noch immer war ihm schleierhaft, wie er die beiden miteinander hatte verwechseln können.
    »Was ist?«, fragte Catherine auf einmal herausfordernd.
    Während er seinen Gedankengängen nachhing, hatte sie sich ihm unbemerkt wieder zugewandt und musterte ihn nun irritiert. Irgendetwas war wohl mit seinem Gesicht passiert. Grinste er etwa glückselig, in Anbetracht der kleinen Esel-Episode? Oder war es etwas anderes? Starrte er sie an?
    »Nein, nein«, versuchte er sich herauszureden. »Ich habe nur gerade über etwas Wichtiges nachgedacht.«
    »Worüber, wenn ich fragen darf?«, hakte sie auf der Stelle nach.
    »Über … über … Zinédine Zidane, den Fußballer aus Marseille. Er war dreimal Weltfußballer des Jahres: 1998, 2000 und 2003. Trotzdem endete seine Karriere auf seltsame Art und Weise abrupt, finde ich.«
    Er hatte kaum zu Ende gesprochen, schon konnte er in Catherines Gesicht ein riesiges Fragezeichen ausmachen. Wenn Frauen einen in die Enge trieben, gab es nur einen Ausweg: Man musste über Fußball sprechen. Egal was, nur schnell musste man sein. Die einzige Sache auf der Welt, bei der sie definitiv nicht mitreden konnten.
    »Und warum lächelst du dann, hm?«
    »Hab ich gelächelt, wirklich? Nein, ich … ich meine, ja, möglicherweise. Das ist ein Problem mit den Nerven, ich war Jahre in Behandlung deswegen.«
    »Bei Patrice?« Sie betrachtete ihn argwöhnisch, während sie mit dem rechten Fuß auf den Grasboden tippte, die Arme vorwurfsvoll in die Hüften gestützt.
    »Bei Patrice«, wiederholte er und hoffte, dass sie ihm kein Attest oder dergleichen abverlangte.
    »Ach, komm schon, Jacques. Ich mache doch nur Spaß!«, sagte sie nach einer kurzen Spannungspause, und ein kumpelhaftes Lächeln umspielte ihren Mund, während sie ihm spielerisch gegen die Schulter boxte. Und nicht zum ersten Mal.
    Es wird wohl bald zur Gewohnheit, notierte Jacques in Gedanken und war gleichzeitig froh, dass Catherine den unglücklich verlaufenen Plausch nach der Yoga-Stunde offenbar zu den Akten gelegt hatte. Dass sie nicht jedes seiner Worte auf die Goldwaage legte, denn wenn es um schöne Worte ging, war er leider alles andere als ein begabter Goldschmied.
    »Glaubst … du wirklich, dass der Esel das A noch lernt?«
    Es war das erste Mal, dass er sie duzte, jedenfalls kam es ihm so vor. So als wäre plötzlich eine Mauer zwischen ihnen gefallen. Ehrlich gesagt traute er es ihr allmählich sogar zu, dass sie dem Esel das A beibrachte. Wenn es jemand schaffte, dann sie. Sie war eine Powerfrau, wie sie im Buche stand. Und doch wieder nicht. Denn die Subjekte, mit denen sie sich beschäftigte, denen sie ihre Zuneigung und Liebe schenkte, waren so viel sympathischer als das neueste iPhone oder ein gläserner Schreibtisch, auf dem sich Arbeit türmte, die im Grunde niemanden wirklich interessierte. Irgendwo in einem Büroturm in New York, Paris oder Berlin in dem tausende von Ameisen in grauen Anzügen, hochgeschlossenen Kostümen und auf Highheels – die Ameisinnen, nicht die Ameisen – wertvolle Stunden ihres Lebens verbrachten. All diese Ameisen waren in Wahrheit verloren. Denn niemand von ihnen kam auch nur im Entferntesten auf den Gedanken, dass Esel, Pferde und echte Menschen so viel mehr bedeuteten als eine Karriere um der Karriere willen. Aber so etwas durfte man in diesen Zeiten als moderner französischer Mann nicht einmal denken. Gott sei Dank war er, Jacques, nie modern gewesen.
    »Soll ich etwas für uns kochen?«, fragte er sie.
    »Nein, danke. Ich habe in der Stadt eine Happen gegessen. Und jetzt bin ich müde.«
    Er nickte verständnisvoll, obwohl er hin- und hergerissen war. Einerseits war er froh, dass er sich nicht schon heute Abend bei ihr für sein rüdes Auftreten in den vergangenen Tagen – im Grunde, seit sie sich kannten – entschuldigen musste. Andererseits kam er nicht umhin zu bemerken, dass ihm ihre Anwesenheit guttat. Und dass er sie durchaus gerne noch ein wenig länger genossen

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