Nachtmahl im Paradies
Genussvoll kuschelte er sich in ihre Arme – ihr Körper an seinem, ihre Haut auf seiner, ihr Atem über seinem, bis er eins mit ihr wurde.
»Gute Nacht, Elli«, flüsterte er, und der Schlaf trug ihn davon.
Es war ein sanfter, milder Schlaf, erholsam und beglückend. Das spürte er, während er langsam in diese andere Welt hinüberglitt, dieses Universum aus Träumen, in das wir alle Nacht für Nacht hinabtauchen und das wir dennoch nie ergründen werden.
Als Jacques am nächsten Morgen – es war später Vormittag – in den schmalen, von weiß lackierten Holzzäunen flankierten Pfad zum Haus einbog, bot das Cottage einen bezaubernden Anblick. Catherine hatte nicht übertrieben mit ihrer Begeisterung. Es handelte sich um ein eher kleines, aber bereits von außen sehr charmantes Anwesen, umhüllt von rauen Natursteinmauern, an denen Rosen und Efeu rankten. Es strahlte etwas ganz und gar Märchenhaftes aus. Vom Paris aus war er kaum mehr als zehn Minuten unterwegs gewesen – ins Landesinnere, das in das farbenprächtige Blütenkleid des Sommers geschlüpft war. Das Meer lag einige Kilometer entfernt, dennoch hatte man das Gefühl, es spüren zu können. Wahrscheinlich konnte man es vom Obergeschoss aus am Horizont sogar sehen.
Catherine begrüßte ihn mit einer Gießkanne in der Hand; sie war gerade dabei, die Topfpflanzen im Eingangsbereich vor der mächtigen Holztür zu gießen. Während der Fahrt hatte Jacques den gestrigen Abend noch einmal Revue passieren lassen. Es waren zwei Dinge, die ihm auch jetzt noch durch den Kopf gingen, während er die prall gefüllte Aluminiumbox aus dem Auto hievte, in der das Hähnchen, das über Nacht im Kühlschrank schön zart geworden war, sowie sämtliche Gewürze, Zutaten und der zum Essen passende Wein lagerten. Erstens: Steckte am Ende möglicherweise ein Engel namens Elli hinter dem Versteckspiel und der unerklärlichen Verwechslung mit Catherine – oder hatte er sich nur eingebildet, ihre Stimme gehört und sie unten bei Pferd und Esel gesehen zu haben? Und zweitens: Würde sie auftauchen – hier, sobald er den Herd in Catherines Küche angeworfen hatte?
Was Letzteres betraf, schwankte er zwischen Hoffen und Verzweiflung, konnte sich daraus doch erneut eine überaus prekäre Situation entwickeln. Einerseits konnte er es nicht erwarten, Elli wiederzusehen – andererseits fühlte er sich wie ein Mann, der heimlich zwei Geliebte zur selben Zeit hatte. Ein Mann, der ein Doppelleben führte. Zugegeben, ein bizarres Doppelleben, das sich einem Außenstehenden nur schwer erklären ließe.
»Essen auf Rädern ist da!«, rief er und balancierte, die Kiste in beiden Händen, auf Catherine zu.
»Wunderbar! Bitte unvorzüglich in die Küche damit, ja?«
Wahrscheinlich meinte sie unverzüglich, aber unvorzüglich klang aus ihrem Mund ebenso richtig – und doppelt so charmant. Er musste aufpassen, dass er sich in ihre Art zu sprechen nicht noch unsterblich verliebte. Normalerweise hegte er kein allzu großes Faible für Menschen, die seine geliebte Muttersprache derart nachlässig behandelten, aber Catherine war ja auch nicht normal. Sie war ein Stehaufmädchen – mal abgesehen von all den anderen Vorzügen, die sie sonst noch haben mochte. So viel stand fest. Ein Stehaufmädchen, das sich offenbar vorgenommen hatte, ihn, Jacques, zum Stehauf männchen zu machen – ob er wollte oder nicht. Anfangs hatte er sich gegen diese Vorstellung gesträubt, doch irgendwie war es ihr gelungen, eine längst verrostet geglaubte Saite tief in seinem Inneren anzuschlagen, deren lieblicher Klang drauf und dran war, ihn umzustimmen.
In das Haus gelangte man durch eine winzige Empfangshalle, deren Decke ein Maler mit einem Himmel in Türkischblau verziert hatte, auf dem winzige weiße Wölkchen zu sehen waren. Dennoch wirkte es keinesfalls kitschig, sondern durchaus gekonnt.
»Du musst wissen, es ist eigentlich eine Ferienhaus von Bekannten aus New York.«
Bekannte, die offensichtlich über Geld verfügten. Das ganze Interieur sah aus wie einer Designzeitschrift entsprungen. Doch das Beste war die Küche: Sie ging nach hinten hinaus und war auf der Rückseite bis hinab auf den schwarzweiß gekachelten Boden verglast, so dass man staunend und mit offenem Mund über die sich dahinter auftuende Wiesenlandschaft blickte, die schier endlos wirkte. Jedenfalls, wenn man diesen Raum zum ersten Mal betrat.
»Alles hier drin muss noch wachsen und … merde , wie heißt das … Persönlichkeit?
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