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Nachtmahl im Paradies

Nachtmahl im Paradies

Titel: Nachtmahl im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bennett Ben
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Teufel seine Seele verkaufen müsste! Alles war ihm recht, nur nicht wieder so leben zu müssen – so vor sich hin zu vegetieren – wie in den hinter ihm liegenden Jahren. Seit dem Wiedersehen mit Elli erleuchtete ein Silberstreif der Hoffnung seine Tage und Nächte. Zum ersten Mal seit langer Zeit schlief er abends mit einem Gefühl der Zuversicht ein und erwachte morgens in froher Erwartung. Wenn auch mit einem unbequemen kleinen Vögelchen auf dem Fensterbrett, das ihm zuzwitscherte, dass dieser Zustand unmöglich von Dauer sein konnte. Natürlich versuchte er, so gut es ging, diesem Vögelchen aus dem Weg zu gehen, die Fensterläden vor ihm zu verschließen. Aber hinter den geschlossenen Läden vernahm er beunruhigt, wie das Gezwitscher draußen vor dem Fenster lauter und lauter wurde. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es sein Trommelfell zum Platzen bringen würde – und damit seinen Traum vom Leben mit einem Engel.
    »Soso, du hast also einen kleinen Vogel.« Auf einmal verstummte das Vögelchen, abgelöst von einer Stimme, deren Klang Jacques so viel lieber vernahm.
    »Elli! Wo …?«
    Jacques wandte sich um. Drehte sich wie ein Schlittschuhläufer bei einer Pirouette einmal um die eigene Achse. Er war felsenfest davon überzeugt, sie gehört zu haben. Aber sehen – sehen konnte er sie nicht. Nicht die geringste Spur von Elli, zumindest hier in der Küche. In diesem Moment nicht jedenfalls, in einer Sekunde vielleicht schon. Möglicherweise konnte sie sogar durch Wände gehen. Wenn er genauer darüber nachdachte, war es sogar sehr wahrscheinlich. Engel konnten alles, was sie nur wollten. Sie mussten sich lediglich etwas vorstellen – und schwupps, geschah es einfach, wie es sonst nur Alice im Wunderland vermochte – oder eben Gott und seine Elitetruppe da oben.
    »Das stimmt nicht ganz, Jacques. Leider.«
    Schon wieder vernahm er ihre Stimme. Dieses Mal erschien sie ihm leiser, gedämpft, fast als dringe sie aus dem Besenschrank zu ihm. Er näherte sich der in einem zarten Vanilleton gestrichenen, schmalen Holztür – und riss sie blitzschnell mit einem kräftigen Ruck auf. Fehlanzeige. Hatte er allen Ernstes erwartet, hier einen Engel vorzufinden, eingeklemmt zwischen Besen, Handfegern, Feudeln und Kehrblech? Und dennoch, es kam ihm vor, als wäre es ein Versteckspiel. Als er sich wieder umdrehte, meinte er einen flüchtigen Schatten unter dem Küchentisch erspäht zu haben. Dort, wo nun, als er auf die Knie fiel, nichts weiter als durchsichtige Raumluft schwebte. Kling! Kling! Das nun wieder war eindeutig das gläserne Windspiel, das vor dem im Sommer stets offenen Fenster an der Treppe im Wohnungsflur hing – jener Treppe, die hinauf auf den Dachboden führte. War es der Wind, der es in Gang gesetzt hatte? Merkwürdig. Draußen schien sich kein Lüftchen zu regen. Jacques folgte dem Geräusch in den Flur. Leise schlugen die Glasstäbe aneinander, obwohl nicht die leiseste Brise wehte. Wollte Elli ihm damit bedeuten, dass er ihr auf den Dachboden folgen solle? Jacques dachte nicht lange darüber nach, sondern erklomm die Treppe in wenigen Sätzen.
    »Elli?«, flüsterte er, als er die im Halbdunkel liegende Welt über dem Paris betrat.
    Nichts rührte sich. Er überlegte, ob sie ihn zu der Kiste führen wollte, in der er das rote Büchlein gefunden hatte. Erst jetzt bemerkte er es: Die Dachluke, die hinaus auf den Piratenmast führte, stand sperrangelweit offen. Er war sich sicher, dass er sie bei seinem letzten Besuch wie immer sorgfältig verschlossen hatte, daran bestand nicht der geringste Zweifel. Endlich begriff er: Sie war dort oben! Elli erwartete ihn auf dem Piratenmast – das also führte sie im Schilde. Hier, über den Dächern des Paris , hatten sie einige ihrer schönsten Stunden verbracht. Es war nur logisch, dass sie sich hier mit ihm treffen wollte. Eilig erklomm er die Stufen der Holzleiter, um Sekunden später ins Freie zu treten. Über sich den weiten Abendhimmel der Normandie. Doch – erneut Fehlanzeige. Enttäuscht spähte er hinaus, zuerst zur Meerseite, wo sich trotz der vorgerückten Stunde noch die Sonnenanbeter tummelten. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie dort unten nicht zu finden war, nahm er die rückwärtige Seite in Angriff und ließ seinen Blick über die Wiesen schweifen, dort wo Pferd und Esel sich gute Nacht sagten. Tatsächlich! Sein Herz fing zu rasen an. Sie stand dort unten bei den beiden und fütterte sie. Sie wandte ihm den Rücken zu, aber es

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