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Nachtmahl im Paradies

Nachtmahl im Paradies

Titel: Nachtmahl im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bennett Ben
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sagte es kleinlaut, mit leiser Stimme.
    »Schieß los!«
    »Was für ein Mensch bin ich, wenn sie nicht will, dass ich erfahre, was ihr zugestoßen ist?«
    Patrice seufzte und zog die Augenbrauen hoch.
    »Das kannst du nur selbst herausfinden«, sagte er.



»Weil wir nun fleischlich sind und aus fleischlicher
Begierde entstanden, so muss unser Verlangen oder
unsere Liebe beim Fleische anfangen.«
    BERNHARD VON CLAIRVAUX
ABT UND KIRCHENLEHRER

Coq au Vin – Hähnchen in Herzblut
    Man nehme:
    1 wohlgenährtes Hähnchen, 1 Flasche Bordeaux, 150 Gramm Pancetta, 2 fein gehackte mittelgroße Zwiebeln, 1 gewürfelte große Karotte, 2 gewürfelte Stangen Sellerie, 2 zerdrückte Knoblauchzehen, 30 Gramm Butter, 1 Esslöffel Tomatenmark, 2 Esslöffel Mehl, 2 Esslöffel Cognac, 4 bis 5 kleine Thymianzweige, 300 Milliliter Hühnerbrühe, 3 Lorbeerblätter, 200 Gramm kleine Champignons, 2 Esslöffel gehackte Petersilie, Meersalz und frischen Pfeffer
    Nun hatte sie ihn aber reingelegt! Nicht dass Jacques die Zutaten nicht in der Speisekammer des Paris vorgefunden hätte – nein, diese war noch immer bestens sortiert, schließlich war das Restaurant erst seit zwei Tagen geschlossen und dort lagerten noch die Einkäufe für die ganze Woche. Außerdem war keine der angegebenen Zutaten so exotisch, dass man sie in einer ordentlichen Restaurantküche nicht vorrätig hätte. Nein: Bei diesem Rezept – einem der beliebtesten der französischen Küche überhaupt – war am Anfang nicht mehr zu unternehmen, als das Hähnchen in sechs, sieben oder acht Stücke zu zerteilen, diese dann in eine Schüssel zu geben und mit dem Rotwein zu begießen. Als Nächstes kam Frischhaltefolie auf das Ganze, und man verfrachtete es in den Kühlschrank, wo es in aller Ruhe zwölf Stunden durchziehen konnte. Und musste. Denn allein auf diese Weise sog das Hähnchen nicht nur den Geschmack des Rotweins auf, sondern wurde über Nacht wie von Zauberhand ganz zart und geschmeidig.
    Einen Augenblick erwog Jacques, das Rezept einfach zu überspringen und sich der nächsten Doppelseite in dem roten Büchlein zu widmen, doch irgendetwas hielt ihn davon ab. Eine innere Stimme. Sie schien ihm zuzuflüstern, dass er nicht das Recht besaß, das Drehbuch für ihre nächtlichen Treffen zu ändern. Er fragte sich, ob Elli heute überhaupt erscheinen würde. Schließlich benötigte er für die Vorbereitungen keine zehn Minuten. Es sah nicht danach aus. Gerade jetzt war es enttäuschend, zumal er sich ohnehin nicht besonders gut fühlte – nach dem, was er gerade erst von Patrice erfahren hatte. Vielleicht hätte er Catherine doch zum Essen einladen sollen. Aber er hatte ja nicht ahnen können, dass Elli ihm heute Abend freigab – so und nicht anders konnte man es wohl sehen.
    Nachdem er das Hähnchen in den Kühlschrank oben in seiner Wohnung verfrachtet hatte, hatte ihn doch noch die Neugier gepackt. Vorsichtig hatte er einen Blick gewagt, welche kulinarischen Expeditionen noch vor ihm lagen auf den folgenden Seiten – etwas, das er lieber nicht getan hätte, denn es verschlechterte seine Laune zusätzlich. Dass es das schmalste Kochbuch war, das er je in seinem Leben zu Gesicht bekommen hatte, war ihm klar – im Grunde war es gar kein richtiges Kochbuch, sondern eher die winzige Speisekarte eines ebenfalls winzigen Restaurants. So wie es das Paradies einst gewesen war. Zwei entrées , zwei Hauptgänge, ein Nachtisch. Viel zu wenig für den Appetit, den Elli mit ihrer Rückkehr in ihm geweckt hatte! Sie sprang mit ihm um wie er zuletzt mit den Gästen im Paris , denen er ebenfalls und ohne mit der Wimper zu zucken den Apéritif gestrichen hatte. Was hätte er hier und jetzt für nur einen Nachtisch mehr gegeben – und das, obwohl er gar nicht so sehr auf Süßes versessen war!
    So blieben ihm nur zwei Rezepte. Nach dem Hähnchen, versteht sich, um das er sich gleich am nächsten Vormittag kümmern wollte – ausnahmsweise mal nicht bei Kerzenlicht, denn in vierundzwanzig Stunden wäre das Hähnchen zu betrunken, um noch für ein geschmackvolles dîner zu taugen. Und was machte er danach? Einfach wieder von vorn anfangen, noch mal alles kochen – und hoffen, dass Elli erneut auftauchte, in einer Art Endlosschleife? Würde er sie jemals wiedersehen, sobald er die geheimnisvolle Speisekarte Gericht für Gericht abgehakt hatte?
    Eines war klar: Er durfte sie kein zweites Mal sterben lassen. Irgendwie musste es ihm gelingen, sie festzuhalten, und wenn er dafür dem

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