Nachtmahl im Paradies
Eine Geste, auf die er nur mit dem leisen, kaum merklichen Schnurren eines alten Katers reagieren konnte, um nicht versehentlich noch mehr Staub zwischen sich und Catherine aufzuwirbeln. All das geschah in jener friedlichen Stille, die allein zwischen zwei Menschen möglich ist, die einander in- und auswendig kennen und wissen, dass Schweigen etwas Wunderbares sein kann – und dass es nur von Worten unterbrochen werden sollte, wenn diese es überragen.
Die seltsame Darbietung in der Küche hatte Catherine offenbar doch mehr beeindruckt, als es für ihn zunächst den Anschein gehabt hatte. Jedenfalls ließ sie sich nicht eher blicken, bevor der Duft des knusprig gebrutzelten Hähnchens in einer Symphonie von Wein und Gewürzen im ganzen Haus nicht mehr zu verleugnen war. Jacques hatte den Tisch bereits eingedeckt und auf gut Glück das Radio angestellt, das auf dem Kühlschrank thronte – in der Hoffnung auf eine halbwegs passende musikalische Begleitung ihres bevorstehenden Festmahls. Sofort meldete sich die samtige Stimme von Lionel Richie.
»So, dann lasse ich euch mal allein«, flüsterte Elli auf einmal hinter seinem Rücken, und bevor Jacques protestieren konnte, war sie verschwunden. Eine Weile betrachtete er nachdenklich die Tischkante, auf der sie eben noch gesessen und ihm dabei zugesehen hatte, wie er sein Werk damit beschlossen hatte, das Hähnchen mitsamt dem sautierten Gemüse in der Pfanne zu flambieren und mit grobem Meersalz sowie frischem Pfeffer abzuschmecken. Das Kochen fing wieder an, ihm Spaß zu machen. Obwohl er sich keineswegs sicher war, wer hier eigentlich kochte – und ob wirklich er für die wunderbaren Aromen verantwortlich war, die um seine Nase kreisten.
»Voilà , es ist angerichtet!«, verkündete er eilig, als er bemerkte, dass er nicht mehr allein war.
Ein wenig überhastet und aus einem ihm nicht näher einleuchtenden Grund auch ein wenig nervös zog er Catherine einen Stuhl heran, die offenbar bereits eine Weile still und nachdenklich an den Türrahmen gelehnt dagestanden und ihn bei seinen finalen Vorbereitungen beobachtet hatte.
Fachgerecht servierte er die dampfenden Teller – gelernt ist gelernt, auch wenn er Koch war und kein Kellner –, ergänzt um Wein und Wasser. Dann setzte er sich ihr gegenüber an der rustikalen, so langen wie schmalen hölzernen Tafel, an der gut und gerne vier oder fünf Personen an jeder Seite Platz gefunden hätten. Er hoffte, dass es ihr schmeckte. Der würzig zarte Duft der von den Tellern aufsteigenden Wolken zumindest ließ einiges erwarten.
» Bon appétit! «, wünschte er.
Catherine indes betrachtete ihn noch immer, als wäre er ein seltenes Exemplar einer soeben bei ihr in der Küche gelandeten außerirdischen Spezies. Als frage sie sich ernsthaft, ob nunmehr die Zeit gekommen war, das FBI über die Vorgänge in ihrem Haus zu informieren oder zumindest das französische Militär.
»Jacques, ich werde einfach nicht schlau aus dir«, brach sie schließlich das Schweigen. Sie wirkte seltsam ernsthaft.
Er war froh, dass sie wenigstens etwas sagte. Alles war besser als die Stille zuvor, die ihm aus irgendeinem Grund wie ein Vorwurf vorkam.
»Das ist kein Wunder!«, entgegnete er fast erleichtert. »Ich werde ja selbst nicht aus mir schlau.«
Er erhob das Glas, um mit ihr anzustoßen.
»Auf die Geheimnisse des Lebens und die offenen Fragen, die uns den Schlaf rauben«, stellte er folgerichtig fest, möglicherweise ein wenig zu enthusiastisch und aufgeputscht von der Energie, die ihn nach dem gemeinsamen Kochen mit Elli durchströmte.
»Also, ich trinke lieber auf die viele Glück, die das Leben uns schenkt«, widersprach Catherine ihm feierlich, wenn nicht gar trotzig. Erst jetzt, peu à peu, denn sein Verstand arbeitete seit geraumer Zeit im Schneckentempo, wurde ihm klar, wie ihre Strategie aussah. Ihre Strategie, mit dem Schmerz umzugehen, der sie genau wie ihn gefangen hielt – auch wenn man es ihr auf den ersten Blick nicht unbedingt anmerkte. Alles, was sie tat und sagte, ob als Geschäftsfrau, als Yoga-Lehrerin oder privat als Catherine und ohne jedes Etikett, drehte sich in einem Maße um Optimismus, Vorwärtsdenken und Glückseligkeit, dass man beim näheren Hinsehen auf den Gedanken verfallen konnte, ihre gute Laune sei eine Art Schutzmantel. Ein Schutzmantel aus positivem Denken, in den sie sich rund um die Uhr kuschelte und an dem alle schmerzhaften Gedanken und Erinnerungen abprallten wie ein Schauer an der
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