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Nachtmahl im Paradies

Nachtmahl im Paradies

Titel: Nachtmahl im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bennett Ben
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in der sie als Anwältin tätig war, ihren Geburtstag gefeiert. Christians Liebe galt der Farbe Grün – und hierbei vor allem dem Grün, das man verspeisen konnte, von A wie Artischocke bis Z wie Zucchini. Eine Farbe, die eine radikale Idee in ihm wachsen ließ: Er wollte in Amerika französisch kochen, aber er wollte französisch vegetarisch kochen.
    Wenn so etwas irgendwo funktionieren konnte, dann in Manhattan, dachten sich die beiden, die quasi über Nacht – Happy Birthday! – ein Paar geworden waren. Catherine hängte ihren Job in der Kanzlei an den Nagel, adieu Bauchschmerzen – adieu Stress, adieu ihr teuren Läden an der Fifth Avenue –, und er verzichtete auf den Souschef, um sich fortan Chef de Cuisine nennen zu können – in seinem eigenen Restaurant. Dem Ouverture , dem ersten gemeinsamen Baby, das er und Catherine zur Welt bringen sollten. Ein paar Jahre später bekamen sie erneut Nachwuchs – eine Dependance gleichen Namens, ebenfalls in New York. Die Ouvertüre war zum Hit geworden, doch sie sollte nur der Auftakt für den eigentlichen Traum sein: ein französisches Restaurant in Frankreich zu betreiben. Nicht in Paris, sondern idyllisch auf dem Land gelegen. Dennoch sollte es jedem angesagten Pariser Restaurant das Wasser reichen können.
    »Deshalb sprichst du so gut Französisch«, unternahm Jacques einen Versuch, sie ein wenig aufzumuntern.
    Catherine redete wie ein Wasserfall, und ihre Augen sprachen dieselbe Sprache, während sie hin und wieder ein für menschliche Augen kaum sichtbares Häppchen zum Mund führte, nur um die Gabel sofort wieder auf den Teller sinken zu lassen, als wäre sie zu schwach, um sie zu halten.
    »Gut ist nicht die richtige Wort«, entgegnete sie schniefend. »Wir haben in New York eigentlich nur Englisch gesprochen. Aber eine bisschen spreche ich schon …«
    Sie stützte ihr Gesicht, dessen Farbe bereits jetzt einem Korb frisch gepflückter Himbeeren glich, in beide Hände, um schließlich vollends in Tränen auszubrechen.
    »Und dann überfährt diese Idiot von Milchlastwagenfahrer Christian direkt vor unsere Haustür! Von eine Moment auf die andere alles aus, alles vorbei, rien ne va plus ! «
    »Catherine …«
    »Non!«
    Vielleicht war es in diesem Moment einfach das Beste, behutsam und leise die Teller abzuräumen und sich auf den Heimweg zu machen. Diese Situation war eindeutig eine Herausforderung, die seine Kompetenzen überstieg. Sein IQ war schon nicht besonders hoch, wie er mit großem Erschrecken bei einem Schnelltest in einer Zeitschrift herausgefunden hatte, aber sein EQ – der vor einigen Jahren in Mode gekommene emotionale Quotient – war noch jämmerlicher. Jacques war gewiss nicht so einfältig zu behaupten, dass Bauchschmerzen allein vom Besuch eines schlechten Restaurants herrühren konnten. Obwohl es nicht selten so war, das hatten ihm die Gäste des Paris in den vergangenen Jahren mehr als einmal an den Kopf geworfen. Dennoch war er ganz gewiss nicht der einfühlende Typ Mann, der für jede seelische Katastrophe ein passendes Pflaster bereithielt und für alles Trost und Erklärung fand. Niemand war hier so!
    Wenn in der Normandie ein Baum umfiel, dann hackte man ihn in kleine Scheite und verwertete die sterblichen Überreste als Brennholz – aber man fragte nicht danach, warum der Baum umgefallen war oder welches schreckliche Ereignis die Wurzeln zum Aufgeben gezwungen hatte. Die Dinge passierten, man nahm zur Kenntnis, dass sie passierten, und dann kam der Faktor Zeit ins Spiel, ergänzt um Hilfsmittel – natürliche Antidepressiva, die jeder anständige, seinen nationalen Kulturgütern verpflichtete Franzose zu Hause in seinem Weinkeller vorfand. Für sich selbst hatte Jacques einmal folgende, wenn auch relativ schlichte Formel aufgestellt, die seine eigene Schmerzbewältigung auf den Punkt brachte:

    Zusammengefasst: Je mehr Zeit man investierte und je mehr »Medikamente« man schluckte, desto deutlicher nahm der Schmerz ab. Jedenfalls war es bei ihm so gewesen. Patrice als Arzt hielt diese Formel natürlich für totalen Schwachsinn, wie nicht anders zu erwarten, und auch Jacques konnte nicht bestätigen, dass die tägliche Anwendung wirklich durchschlagenden Heilungserfolg gebracht hatte. Dennoch: Eine andere Methode, auf Schmerz zu reagieren, kannte er nun einmal nicht.
    »Ich sollte jetzt wohl besser gehen«, schlug er vor und schob seinen Stuhl zurück, um sich den Aufräumarbeiten am Tisch zu widmen.
    »Jacques!« Sie ergriff

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