Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
Es wäre sehr schön, wenn er auch kommen könnte.«
Walter wahrte zwar die körperliche Distanz, berührte Judith aber zärtlich mit den Fingerspitzen. Dann sagte er: »Natürlich. Wird alles gleich erledigt. Tommy bringe ich auch rasch nach Hause und komme dann zurück. Du kannst dich inzwischen vorne auf die Bank unter die Buchen setzen. Bleib bitte nicht hier an der Haustür stehen.«
Judith lächelte. »Danke.« Walter wollte sie immer irgendwie beschützen. Dann setzte sie sich, um keine Spuren zu zerstören, vorsichtig auf die unterste Stufe des Hauseingangs und wachte bei dem bemitleidenswerten Tier.
~ 4 ~
In seinem Ortspolizistenbüro, das praktischerweise in seinem Wohnhaus untergebracht war, sah Walter Dreyer zunächst nach Tommy. Als er ihn spielend mit Wilhelmina, der Katze, im Garten entdeckte, erledigte er die nötigen Anrufe.
Thomas Ritter, Chef der Spurensicherung bei der Gardelegener Polizei, war ein alter Kumpel von ihm, dem es überhaupt nicht gefiel, bei seinen Sonnabendplänen gestört zu werden. Er verriet Walter zwar seine bedeutsamen Vorhaben nicht, klang aber ziemlich ungehalten: »Ein Hund? Du rufst mich wegen eines blöden Viechs an! Einem toten Köter?! Ist dir klar, dass Wochenende ist?«
Als Walter ihm die Details schilderte, wurde Ritter ruhiger und war zähneknirschend bereit, zu kommen.
Dr. Friedrich Renz, ein seit einigen Jahren pensionierter Rechtsmediziner, musste nicht lange überzeugt werden. Ihn verband mit Judith Brunner eine Freundschaft seit ihren Zeiten bei der Magdeburger Mordkommission und er versuchte, ihr mit seinen Erfahrungen zu helfen, wo und wann immer er konnte.
Bis die Kollegen in Waldau eintreffen könnten, würde mindestens noch eine halbe Stunde vergehen.
Walter Dreyer ging zu Tommy hinter das Haus. »Komm, ich bring dich erst mal zu deiner Familie.«
Der Junge streichelte die Katze zum Abschied, stand auf und sie gingen los.
»Meine Eltern warten ganz sicher schon. Papa wird wieder meckern. Ich soll immer pünktlich zum Essen da sein. Und erst recht heute. Am Nachmittag wollen wir mit Oma nach ›Feine Sache‹ zum Eisessen fahren. Und morgen vielleicht sogar zum Baden nach Arendsee.« Tommy plapperte drauflos – da musste er wenigstens nicht über den toten Hund reden.
Ungern unterbrach Walter Dreyer den Jungen und blickte ernst zu ihm herunter. »Ich muss dir ein paar Fragen stellen. Das verstehst du sicher, denn du bist ja kein kleines Kind mehr. Deine Beobachtungen können der Polizei nämlich helfen, denjenigen zu finden, der den Hund getötet hat.«
»Ob es ihm wehgetan hat?«
Die Verstümmelungen? Die grausigen Details mochte Walter sich gar nicht vergegenwärtigen. Auf dem Trittstein war allerdings kaum Blut zu sehen gewesen. »Ich denke, der Hund war tot, als er dahin gelegt worden ist. Er hat bestimmt nicht mehr gespürt, was mit ihm angestellt wurde.«
Tommy nahm das erst einmal hin. Dann fragte er weiter: »Warum hat das jemand gemacht?«
»Nun, das müssen wir erst noch herausfinden. Vielleicht war derjenige sehr wütend. Oder auch krank und durcheinander.« Walter Dreyer hoffte, seine Erklärungen würden ausreichen und die Fantasie des Jungen nicht allzu sehr beflügeln. Er hatte zur Wohnung von Tommys Eltern extra einen kleinen Umweg in die entgegengesetzte Richtung – um den ganzen Kirchhof herum – gewählt, damit er mit dem Kind nicht erneut an dem alten Pfarrhaus vorbeigehen musste. Als es außer Sichtweite war, fragte er: »Wie hast du den Hund denn eigentlich gefunden?«
Tommy überlegte nicht lange. »Nach dem Frühstück war ich im Gutspark. Wir trainieren dort Fußball«, meinte er stolz.
Walter wusste, dass Leon Ahlsens die Bengel aus dem Dorf für diesen Sport begeistert hatte. Die Jungenmannschaft wollte in der nächsten Saison, also schon in ein paar Wochen, in der Jugendliga mitmachen. Allerdings hatte man sich bisher noch nicht auf einen Namen für den Verein einigen können. Die Vorschläge der Väter am Stammtisch in der »Altmärkischen Schweiz« bewegten sich entweder fantasielos, in völlig ausgefahrenen Bahnen oder waren schlichtweg absurd und eher einigen Gläsern Klaren zu viel zuzuschreiben. Leon hatte dann eines Nachmittags, nach einem mehr zufälligen Blick auf die diversen Trainingsklamotten seiner Fußballspieler, »Bunte Hasen Waldau« vorgeschlagen, was die Jungen lautstark befürworteten. Alle Kinder hatten den entsprechenden Antrag unterschrieben. Walter befürchtete allerdings,
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