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Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Titel: Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Schroll
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Arbeit. »Kann man es fassen? Da will eine intelligente Frau nicht sehen, was für einen verderblichen Einfluss ihr Bruder auf ihren Sohn hat; die andere Frau bringt lieber auf total bizarre Weise einen Hund um, statt einfach den Mund aufzumachen. Hätte wenigstens eine nicht versagt, dann könnte Ilona vielleicht noch leben. Das macht mich verrückt! Ich habe den ganzen Nachmittag überlegt, was es ist, was diese merkwürdige Familie zusammenschweißt. Sogar dann, wenn keiner den anderen mag?«
    Walter setzte sich neben Judith, als er sagte: »Mich erstaunt eher, dass erwartet wird, man müsse sich in der Familie immer vertragen. In den allerwenigsten Fällen gelingt das wirklich.«
    »Es heißt doch, das Blut halte Familien zusammen«, ließ Judith sich, trotz Walters verliebten Blicken, nicht vom Thema bringen.
    »Na ja, mag sein”, war Walter skeptisch, »doch ich denke, das kannst du vernachlässigen. Was wäre sonst mit den angeheirateten Verwandten? Ich bin überzeugt: Das, was eine Familie zusammenhält, ist das Gefühl von Verbundenheit der Menschen untereinander und vor allem die Fähigkeit, einander gelegentlich zu vergeben.«
    »Zu vergeben? Wie meinst du das?«
    »Genau so. Du siehst es doch selbst. Mütter und Großmütter vergeben, selbst schlimme Dinge.«
    Judith war nicht so nachsichtig: »Der Grund ändert das Ergebnis nicht! Verzeihen? Nicht in so einem Falle.« Sie war immer noch fassungslos.
    Walter stimmte ihr zu. »Da hast du natürlich recht.« Irgendwie wollte es ihm nicht gelingen, sie auf schönere Gedanken zu bringen. Er goss ihr ein Glas Wein ein, stieß mit ihr an. Und bevor Judith erneut ansetzen konnte, erzählte Walter von der rührenden Beisetzung des Hundes: »Das war schon eine beeindruckende Karawane! Wir hatten vier Bollerwagen. Im Wald war es ziemlich beschwerlich voranzukommen, aber mit den großen Luftreifen ging es dann doch. Niemand hielt sich beim Ziehen und Heben zurück. Mit meinem Wagen mit allerhand Decken, Kissen und meinen Grabeutensilien fuhr ich voran. Ich habe den Kindern erklärt, der erste Wagen testet immer den Weg. Wenn der umstürzt, ist das nicht weiter schlimm, aber wir erkennen die Gefahr. Dann folgte der Wagen mit den Vorräten für den Leichenschmaus, in dem nächsten schlief das Baby – und ließ sich von dem ständigen Geruckel und Gezerre kein bisschen stören – und zuletzt kam der Wagen mit dem Hundeleichnam. Die Kinder hatten ihn mit grünen Luftballons geschmückt. Sie waren überzeugt, dass dies Mellis Lieblingsfarbe war. Über das Tier war ein alter Schlafsack gebreitet, darauf lagen frische Blümchen, Glockenblumen und Nachtnelken, die die Kinder unterwegs gepflückt hatten. Natürlich wollten alle mal diesen Wagen ziehen. Sie mussten sich abwechseln. Meist haben sie zu zweit angefasst. Stell dir vor, die Kinder hatten Bilder gemalt und ein jedes hat dem Hund das ins Grab mitgegeben. Mario hat noch einen völlig zerbissenen Ball hineingeworfen, bevor er sich zu den anderen zum Essen an den Waldrand gesellte. Ich habe dann alleine das Grab zugeschaufelt.« Am Ende seines Berichtes fragte er Judith beiläufig nach einem weiteren Glas Wein.
    Sie küsste ihn auf den Mundwinkel. »Unbedingt! Du kräftiger Held! Das hast du dir heute verdient!«
    Walter füllte die Gläser erneut und stieß mit Judith an. Nach dem ersten Schluck forderte er sie flüsternd auf: »Komm dichter zu mir und erzähle weiter. Ich will fühlen, wie es dir dabei geht.« Er zog sie an sich. Sein Blick wärmte sie. Im Hintergrund knackste leise eine Schallplatte und Holger Biege sang eines seiner schönen Liebeslieder.
    Aufgemuntert von einem gelegentlichen »Ach« oder einem »Und dann?« aus Walters sie immer mal wieder küssenden Mund, redete sich Judith den Tag und den Fall von der Seele.
    Sie spürten beide, wie sie gerettet wurde.
     
 
    ~ ~ ~
     
Als die Tür zum Wohnzimmer in Lauras Haus mitten in der Nacht lautlos geöffnet wurde, lugte Wilhelmina wachsam aus der Sofaecke. Würde es nötig werden, sich einen neuen Ruheplatz zu suchen? Vorsichtshalber fing sie an, leise zu schnurren.
    Der Besucher hielt das Foto eines alten Hauses mit vielen Buchstaben an der Wand in seiner Hand, setzte sich für einen Moment neben sie, kraulte ihr den Nacken und las ihr flüsternd vor: »Pflanz Redlichkeit in meine Brust und lass mich stets mit wahrer Lust der Liebe Pflichten üben.« Dann stand der Besucher wieder auf und legte das Foto auf den Tisch. »Bis zum nächsten Mal«,

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