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Nachtpfade

Nachtpfade

Titel: Nachtpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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dran an der Holzgeschichte, das sind nicht
einfach nur die Hirngespinste von zwei redseligen Weibern und brotneidischen
Nachbarn. Der Wald ist wirklich dunkel und verschwiegen«, sagte er etwas
kryptisch und erzählte dann von seinem kleinen Flugmanöver mit Hajo und dass
sie das mobile Sägewerk geortet hatten.
    »Wow! Was, wenn Jacky dort irgendwas Illegales
aufgedeckt hat, weswegen sie sterben musste? Sie hat etwas gesehen, das man dem
stillen Landleben gar nicht zutrauen möchte«, beharrte Evi. »Dabei wäre es hier
so idyllisch«, meinte sie, seufzte tief und setzte hinzu: »Wenn man so viel
Natur mag.«
    »Auf der Alm, da gibt’s koa Sünd, ist es das, was du
meinst? Ach, Evi-Maus, dein positives Gemüt in Ehren, aber hier passieren
menschliche Tragödien genauso wie in der Stadt. Vielleicht kriegst du sie in
der Stadt nur weniger mit, erfährst sie erst, wenn Blitz- und Explosiv-Reporter
mit ihren Mikros vor jenem Hochhaus stehen, in dem mal wieder ein Kind zu Tode
gefoltert wurde. Vielleicht aber gibt es am Land sogar mehr Tragödien, weil die
Wohlanständigkeit die Worte erstickt und die Tatkraft erdrückt. Weil nicht
geredet wird übers persönliche Versagen. Weil die Fluchtwege verstellt sind.
Weil keine unabhängige Instanz von außen eine noch so kleine Tür öffnet. Das
Idyll ist auch bloß ein Trugbild.«
    »Weinzirl, was für eine Rede für deine Verhältnisse –
und dieser Kulturpessimismus. Meine Diagnose: akuter abgesunkener
Weißbierpegel.« Jo lachte.
    »Wie wahr, wie wahr. Und deshalb machen wir auch einen
Ausflug in die herbstlichen Wälder, denn das ist immer noch besser, als hier zu
darben. Bei Jo gibt’s ja nur Prosecco und diese knochentrockenen Weißweine.«
    »Soll ja momentan sehr schön sein mit all den Farben«,
grinste Jo. »Wir sollten mein Auto nehmen!«
    Ja, das war auch Gerhards Idee gewesen. Jos uralter
Landcruiser drohte zwar durchzurosten, aber der Allradantrieb funktionierte
pfenningguat. Deshalb war er auch bereit, Jo mitzunehmen, denn das Auto hätte
sie ihnen niemals mitgegeben, ohne als Chauffeuse dabei zu sein.
    Aber er dämpfte Jos Euphorie, die gleich mal die halbe
Mafia ausheben wollte. »Ein mobiles Sägewerk als solches ist nicht illegal.«
Was Jo natürlich nicht gelten ließ, die losrauschte wie auf der Rallye
Paris–Dakar.
    »Piano, pianissimo. Zuerst werfen wir noch einen
kleinen Blick auf den Hof der Familie Weinling«, bremste Gerhard sie ein.
    Ein Hof, der verlassen dalag. Überall standen
Bulldogs, diverse Heumer, zwei Ladewagen und zwei Kipper im Freien. Der Knabe
brauchte wirklich eine neue Maschinenhalle. Welche als monumentales Bauwerk auf
einer uneinsehbaren Lichtung abseits des Hofes auch schon in Arbeit war.
Womöglich wollte der gute Manfred Weinling ja dem Münchner Flughafen mit einem
Hangar Konkurrenz machen, oder er baute für Schönberg eine Mehrfachturnhalle.
    »Geile Reithalle!«, kam es von Jo. Ja, auch das!
    »Schön«, sagte Gerhard nur, und Jo durfte
weiterbrausen in Richtung Böbing, bis sie dann auf Gerhards Weisung in einer
Kurve rechts abbog.
    »Nobelbauern«, murmelte Jo, »alles asphaltiert.«
    Etwas, was sich ändern sollte, die Wege wurden
schlechter, Gerhard war über eine Karte im Maßstab 1:25 000 des Bayerischen
Landesvermessungsamtes gebeugt. »Links, rechts«, seine Befehle kamen knapp. Der
Weg endete im Nichts.
    »Super, Herr Navigator«, maulte Jo.
    »Ruhe, mach mal erst dein röhrendes Ungeheuer aus, und
dann lausche den Geräuschen des stillen teutschen Waldes.«
    Jo gehorchte, und siehe, das Geräusch einer Säge war
zu hören. Metallisch, einschneidend, irgendwo im Wald.
    Für Gerhard war das der Triumph des Tages. »Wir kommen
von hinten durchs Auge, meine Damen. Hajo und ich haben über der Karte
gebrütet, und Hajo war sich ziemlich sicher, dass die eher von der Geigersauer
Seite aus reingefahren sein müssen. Also, dann pack mers, und du, Jo«, er hob
drohend den Finger, »du bleibst beim Auto!«
    »Ja«, maulte sie, und als er und Evi schon einige
Meter weg waren, grummelte sie ein »Arschloch« hinterher.
    Gerhard fuhr herum und drohte ihr erneut mit dem
Finger. »It noachmaula!«
    Sie folgten dem Geräusch, schlängelten sich durch
Jungbaum-anpflanzungen, mussten durch eine sumpfige Rinne waten und kletterten
schließlich einen Gegenhang hoch. Das Geräusch wurde lauter. Ein Pfad wurde
sichtbar, der sich verbreiterte. Nun heulte die Maschine regelrecht, und als
sie um eine Kurve bogen, tat sich mitten im

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