Nachtpfade
politischen
Ränkespiels. Er war …«
»Ich will damit nur sagen, dass auch er mit seinen
Marotten der Mehrheit nicht gefallen hat«, belehrte ihn Jo.
»Ja, aber das hatte eine andere Dimension. Er war am
falschen Ort in Zeiten Bismarck’schen Säbelrasselns. In der falschen Position.«
»Wie Jacky. Sie war eben auch nicht normal in den
Augen der anderen«, fiel Evi ein, und sie zwinkerte Jo zu.
Warum musste er bloß immer mit dieser beharrlichen
weiblichen Übermacht kämpfen?, überlegte Gerhard. Eigentlich sollte er mal eine
Erschwerniszulage erwirken. Er war nur noch von Weibern umgeben, seit Baier in
Rente war. »Aber ein unbedeutendes Mädel und ein Mord, weil man nicht konform
ist, das ist mir zu wenig greifbar. Außerdem stimmt was mit dieser Marianne
nicht«, grummelte Gerhard.
»Aber das ist ja wirklich zu einfach, oder?
Eifersüchtige Schwester tötet potenzielle Heiratskandidatin, weil sie den
Bruder nicht verlieren will. Da müssen wir aber wirklich auch an dem Käser
dranbleiben, dessen Ehefrau kann ja auch eifersüchtig sein.«
»Na, Kollegin Melanie ist laut deinen Aussagen schon
dran, und außerdem: Die meisten Morde passieren aus Eifersucht und gekränkten
Gefühlen. Oder wegen des Geldes.« Gerhard war immer noch genervt.
»Ja, das hatten wir auch schon ganz zu Beginn unserer
Ermittlungen.«
»Eben, und erste Impulse sind oft richtig. So toll ist
das Alibi der Geschwister nicht«, sagte Gerhard.
»Nö, sie sagt, sie war im Bett.«
»Und bestätigt hat das?«
»Ihr Bruder! Genau, der seinerseits auch im Bett war.«
Evi zuckte mit den Schultern. »Was hast du erwartet?«
»Schick alle verfügbaren Leute los, um Nachbarn und so
weiter zu befragen. Ob jemand von den Erhard-Geschwistern vielleicht doch den
Hof verlassen hat.«
»Ihr wisst, wo der Hof liegt. Versprecht ihr euch
wirklich was davon?«, fragte Jo.
»Nein, aber versuchen müssen wir es. Auch wenn der Hof
da allein und einsam am Hang kauert. Und nur die Tiere des Waldes Zeugen sind.
Und mit denen konnte nur Jacky reden, die ist aber leider tot.«
»Gerhard, ehrlich! Da muss was anderes
dahinterstecken, zumal es keinerlei Anzeichen gibt, dass der Anton Erhard
wirklich etwas mit Jacky hatte oder gar ernsthafte Heiratsabsichten gehegt
hätte. Wir müssen in eine andere Richtung ermitteln. Sie muss etwas gesehen
haben, das sie nicht hätte sehen sollen!« Evi sah ihn eindringlich an. »Die Nacht
hat viel mehr Augen als der Tag.«
»Verborgene Augen, Nachtaugen«, ergänzte Jo.
»Verschwiegene Pfade ziehen sich durch die Nacht. Wer in der Nacht geht, hat
Katzenaugen und bewegt sich genauso unbemerkt.« Sie lächelte Gerhard an.
»Gerhard, du musst dich mal an den Stammtisch setzen und nur ein bisschen
zuhören. Da wird viel geredet über die einen und die anderen Leute. Natürlich
nur, wenn die gerade nicht dabeisitzen«, sagte Jo bedeutungsschwanger.
»Und die einen haben auch Namen?«
»Ja, die heißen gerne mal Anton Erhard.«
»Und was redet man so?«
»Och, es geht gerne mal darum, dass der Wald vom
Erhard groß ist, sehr groß, und dass dort so mancher Festmeter geschlagen wird,
der nirgends in der Buchhaltung auftaucht.«
»Und gekauft wird es dann von den anderen?«, fragte
Gerhard mit einem Grinsen.
»Hmm.«
»Die auch Namen haben?«
»Ja, die heißen gerne mal Weinling, Manfred. Der baut
eine neue Maschinenhalle. Und er hat den großen Vorteil, dass seine Wiesen und
sein kleiner Wald im Nirgendwo an Erhard angrenzen.« Jo lächelte ihn an.
»Und auch das Nirgendwo hat einen Namen?«
»Gerhard, du bist Mountainbiker!«, rief Jo. »Kennst du
all die kleinen Sträßchen und Wege im Dreieck Böbing, Soien und Schöffau? Den
Grambacher Wald, den Kirnberg, Sonnenbühl und die Kropfleite?«
»Ja und nein – und um auf unser vorheriges Gespräch
zurückzukommen: Um die alle abzufahren, bin ich schon zu alt.«
»Du siehst den Punkt! Wir leben inmitten einer
hochzivilisierten Welt, aber das ist ein Eck, wo ich immer denke, hier könnte
ein Bär, ein Wolf oder sogar ein Yeti unbemerkt seiner Wege gehen.«
»Ja, das wäre ein guter Tipp für Bruno gewesen, hätte
sich der dumme Jungspund nur nicht als so unstet erwiesen. Da hätte er maximal
ein paar Bauernschädel und eine völlig andere Form von Schafsschädeln
getroffen. Solche, die kleine illegale Holzgeschäfte machen.« Gerhard hatte
sich erhoben und an die Hauswand gelehnt.
»Meine Damen, der alte Weinzirl war heute früh nicht
untätig. Natürlich ist da was
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