Nachtpfade
Amtsgericht‹.«
»Viel besser, meine Liebe, und jetzt warten wir mal
ab, was Erhard uns zu sagen hat.«
»Sagen ist ein großes Wort für die Grunzlaute, die der
von sich gibt! Was für ein Dialekt ist das hier bloß?« Evi schüttelte sich.
»Das sind die sprachlichen Perlen des Oberlands.«
»O weh! Aber Weinzirl, Respekt, Chapeau – woher
wusstest du, wann ein Stadel genehmigungsfrei ist?«
»Tja, Evi, das Landleben, das segensreiche. Mein Onkel
war Spezialist für Schwarzbauten. Ob am Niedersonthofener See oder im
Bergstätt-Gebiet oben. Er hat das wirklich mal praktiziert: baute einen Stadel
mit akkurat hundert Quadratmetern auf ein Flurstück, den nächsten auf das
angrenzende Flurstück. Das ist absolut legal. Er hat die drei Meter bis zur
Grundstücksgrenze eingehalten, ergibt nach Adam Riese sechs Meter. Und dann
gingen zwei Jahre ins Land, und zwei heftige Allgäuer Bergstätt-Winter senkten
ihr gnädiges Kleid des Vergessens über die beiden Stadel. Und im Frühjahr, wie
durch Zauberhände, ward da bald ein Dach gebaut zwischen den beiden, und darum
hat sich keiner mehr geschissen.«
Evi lachte leise vor sich hin. Jo hatte wirklich brav
im Auto gewartet, und es gelang Evi und Gerhard mehr oder minder erfolgreich –
sah man von Jos Schimpftiraden mal ab –, ihre Fragen mit »Geheime laufende
Ermittlungen« abzuschmettern. Die beiden tauschten Jos Rostlaube dann gegen
Gerhards VW -Bus um und waren nach
genau fünfunddreißig Minuten in Weilheim.
Nach zweiundfünfzig Minuten kamen die drei Herren.
»Wird aber auch Zeit!«, schimpfte Gerhard.
Sie setzten die drei in unterschiedliche Zimmer und
ließen sie da erst mal ein wenig schmoren. Berthold gab natürlich zu, in
illegale Holzgeschäfte verwickelt zu sein, weil er sich an der Börse
verspekuliert hatte und sein Bruder von alldem nichts wusste. Weinling gelobte,
seine Scheune bescheidener zu halten, und flehte um Vergebung.
Gebetsmühlenartig wiederholte er, dass er keine Ahnung habe, was Jacky da im
Wald gewollt hatte. Auch er behauptete mehrmals, dass die Jacky nicht ganz klar
in der Birne gewesen sei. Er gab sogar zu, ihr ein bisschen nachgestiegen zu
sein, aber sie hätte ihn nie erhört. Evis Attacke, dass solche Zurückweisungen
gerne mal im Mord endeten, hatte er dann mit bemerkenswerter Selbsteinsicht
gekontert. »Dann hätt ich halb Schönberg und halb Böbing ermordet.« Diese Aussage
hatte Gerhard fast ein wenig für ihn eingenommen.
Die Frage, wo er denn in der Mordnacht gewesen sei,
ließ ihn ungläubig aus der Wäsche schauen: »Was, Sie globa, i hät des Weibets
umbrocht?« Sein Alibi war makellos. Er war im Stall bei einer problematischen
Kälbergeburt gewesen – zusammen mit seiner Mutter und dem Siggi Moder, einem
Tierarzt aus Steingaden, der das später auch bestätigt hatte und dem Weinling
zwar auch eher den IQ einer
Seegurke attestiert hatte, ihn aber für absolut harmlos hielt.
Es erwies sich, dass der Weinling dann nach all diesen
Anlaufschwierigkeiten wirklich kooperativ war, als Gerhard ihn bat, ihm doch
alles zu berichten, was er über Jackys Leben wusste. Im Prinzip bestätigte er
das, was sie bei den Zeugenbefragungen erfahren hatten, eins aber war
interessant: Manfred Weinling wusste, dass Jacky immer mal wieder Zeit im
Jagdhaus von Anton Erhard zugebracht hatte. Dass sie die Überbleibsel der
rauschenden Jagdgesellschaften aufgeräumt hatte, auch mal Getränke ausgeschenkt
und serviert. Er selbst war auch ab und zu zusammen mit Anton dort gewesen.
Einen »Geldsack« hatte er den Pächter genannt, einen gewissen Ferdinand Friedl
aus Miesbach. Und weil da in diesem Manfred Weinling wohl irgendwelche Dämme
gebrochen waren, hatte er unter Eid ausgesagt, dass der Miesbacher es mit den
Abschussplänen nicht so genau nehme und er selbst mal dabei gewesen sei, als er
mit seinen Kumpels eine Nachtjagd veranstaltet habe.
»Und Sie mittendrin, Weinling?«
»Na, i bi dann gfahra. Des isch a Sauerei. De Viecher
sen ja de Auto gwohnt, den Krach kennens scho. Und do fahrt r mit seim Karra
dohi und schießt dia Viecher a. Der hot a Gwehr mit am Nachtsichtgerät.«
»Und der Anton, dem war das egal? Ich meine, da fällt
doch auch kein gutes Bild auf ihn. Das muss doch jemand mitgekriegt haben. Was
ist zum Beispiel mit dem Nachbarrevier?«
Das waren eindeutig zu viele Fragen auf einmal für den
guten Weinling gewesen. Das überforderte sein Spatzenhirnchen. Multitasking war
nicht so sehr seine Domäne. Gerhard versuchte es
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