Nachtpfade
Wald ein Holzplatz auf. Brettleseben,
Voraussetzung für ein mobiles Sägewerk. Treffer! Gerhard war richtig
aufgeräumt.
In der Kabine des Ungetüms saß ein Mann und arbeitete
konzentriert. Zwei Männer fassten die Bretter sofort und schleppten sie zu
einem Holzwagen, wo sie sie aufluden. Sie waren völlig in ihre Arbeit vertieft.
Erst als der Säger seine Maschine ausmachte und rüberplärrte: »Ich stell jetzt
die Sägeblätter um«, entdeckten die beiden Männer den Besuch.
»Herr Erhard, grüß Gott. Und Sie sind?«, fragte er in
die Richtung des anderen.
»Wer will des wissn?«
»Ach, nur die Kriminalpolizei, Herr …?«
Der junge Typ sah ihn an, als müsse er über diese
Botschaft erst mal nachdenken. Er war rotbäckig, blond und wahrscheinlich
relativ gut aussehend, zumindest wenn man als Vergleich die sonstige Schönberger
Dorfschickeria heranzog. Seinem leicht geöffneten Mund und den erstaunten
Kinderaugen war zu entnehmen, dass er wirklich nicht die Bürde allzu großer
Intelligenz mit sich herumtragen musste.
»Weinling«, sagte er schließlich.
»Na fein, und dann wüssten wir noch gerne, wer Sie
sind«, sagte Gerhard mit penetrant fröhlicher Tonlage.
Die Frage hätte sich erübrigt, denn auf dem Ungetüm
stand: »Gebrüder Bartholomäus und Benedikt Berthold«, eine Adresse in
Landsberg. Der Mann gab sich nun als Bartl Berthold zu erkennen und wirkte
nervös. »Ich hab damit nichts zu tun, ich mach nur meinen Job.«
»Jetzt kommen Sie da erst mal von Ihrer Kanzel
runter!«, rief Gerhard immer noch so richtig aufgeräumt.
Bertholds Bartl gehorchte.
»So, womit haben Sie nichts zu tun, Herr Berthold?«
Er schaute auch nicht viel intelligenter als Blondie
Weinling. »Na wenn Sie da sind, dann, dann …«
»Ja genau, dann ist was im Busch, gelle, Herr
Berthold? Und was könnte das sein?« Gerhard ließ den Blick vom einen zum
anderen schweifen. Die Herren sahen zu Boden, eine Situation wie weiland in der
Schule, in der man Stoßgebete zum lieben Herrgott schickte, der Herr Lehrer
möge einen anderen aufrufen.
Es war Erhard, der als Erster sprach oder besser
knurrte. »Was wollts n?«
»Holz kaufen, Herr Erhard. Wie wäre es damit?«, fragte
Gerhard.
»Da gehts zum Heiserer oder zum Steinsdorfer. Aber der
Hund is allweil so zwider. Oder gehts glei zum Obi.«
»Schauen Sie, Herr Erhard. Es gibt jetzt zwei
Möglichkeiten: Sie packen jetzt alles hier zamm, und wir machen einen netten
Ausflug nach Weilheim in unser Büro. Oder aber Sie sperren Ihre Lauscherchen
jetzt mal auf und sagen mir hinterher, ob ich recht hab. Sie haben Holz, viel
Holz, Herr Erhard, und ein Großteil Ihres Einkommens stammt bei Ihnen aus der Forstwirtschaft.
Ein größerer Teil als der, den Sie mit Milchkühen und dem Verkauf von Kälbern
erzielen. Und dann ist da das böse Finanzamt, das immer mitverdienen will. Also
verticken Sie einen Teil Ihres Holzes schwarz zum Beispiel an den Kollegen Weinling.
Und der Herr Berthold hier, der macht Ihnen sicher einen guten Preis und nimmt
für den kleinen Rabatt eben noch das eine oder andere Bäumchen mit. Denn Sie
alle drei kennen ja die sonderbare Wertvermehrung, wenn man Waldholz in Bauholz
verwandelt. Sagen wir fünfundsiebzig Euro für den Festmeter und zweihundert bis
zweihundertfünfzig Euro für Bauholz? Oder, Herr Berthold?«
Berthold schwieg.
»Mei, Herr Berthold, und weil ich so ein kleiner
Hellseher bin, sag ich Ihnen noch was: Sie haben sicher nicht bloß dieses
hübsche Baby hier, sondern auch Holz-Lkws, und bedauerlicherweise haben Sie
einfach kein Gefühl für Gewichte. Sie laden einfach immer zu viel auf, aber,
Herr Berthold, wie durch Zauberhand, wenn Sie dann ankommen, transportieren Sie
nur das zulässige Gesamtgewicht.«
»Das ist eine Unverschämtheit, das müssen Sie erst mal
beweisen. Sie haben eine blühende Fantasie, Sie, Sie …«
»Ich was?« Gerhard war immer noch zuckersüß.
Berthold machte eine unwirsche Handbewegung.
»Schauens, Berthold. Ich jag Ihnen so viele
Betriebsprüfer auf den Hals, dass Ihnen ganz schwindlig wird. Ich setze eine
Sonderkommission darauf an, all Ihre Kunden zu filzen. Und deren Bücher zu
prüfen. Sie werden den Tag verfluchen, an dem Sie nur einen Ster Holz zu viel
gefahren haben.« Und nun war der nette Gerhard auf einmal gar nicht mehr so
nett.
Und während der Berthold noch nach Luft schnappte,
wandte sich Gerhard unvermittelt an Weinling. »Und Sie, Sie haben sich Ihre
Maschinenhalle doch sicher genehmigen
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