Nachtpfade
nannte
seinen Namen: Pius Hörmooser.
Gerhard und Evi stellten sich ebenfalls vor und baten
die beiden, sich Montagabend und -nacht ins Gedächtnis zu rufen. Pius
bestätigte, dass der Chef gegen drei viertel elf gekommen sei und er, Pius, den
Landrover aus der Einfahrt weggefahren habe. Sieglinde gab an, ihm den Tee mit
dem Rum gebracht zu haben. Wie jeden Tag, an dem Friedl zu Hause nächtigte.
Während Evi mit Sieglinde in der Küche einen Tee trank, bat Gerhard darum, mal
einen kleinen Rundgang durch das Haus machen zu dürfen. Friedls Schlafzimmer,
ein Ankleidezimmer und ein Bad lagen nebeneinander auf der Ostseite des Hauses
im ersten Stock. Ein Büro erstreckte sich als Eckzimmer ost- und südwärts, eine
Glastür führte auf einen Südbalkon, von dem aus eine aufwendig geschnitzte
Holz-Wendeltreppe in den südseitigen Garten führte, der aussah wie der barocke
Mitteltrakt im Nymphenburger Schlosspark. Die Garage erreichte man durch ein
Tor. Sie lag ostseitig außerhalb des hohen Zaunes in einer Art
Wirtschaftsgebäude, in dem neben dem Landrover und einer Corvette noch ein
nagelneuer Fendt-Bulldog, diverse Anhänger und Gartengeräte standen.
»Er ist mit dem Porsche unterwegs?«, fragte Gerhard.
Pius Hörmooser nickte. »Den nimmt er meistens für
kleinere Fahrten.«
Langsam schlenderten sie wieder zur gekiesten Auffahrt
und zur nordseitigen Frontseite des Hauses. Gerhard ließ den Blick nochmals
über das Anwesen schweifen. Pius Hörmooser folgte seinem Blick, und um seine
wachen Augen spielte ein Lächeln.
»Sie wissen, was ich gerade überlege?«, fragte
Gerhard.
»Ich nehme es an, aber ich kann Ihnen darauf keine
Antwort geben. Weder in die eine noch in die andere Richtung.«
»Wobei mich die eine weit mehr interessiert und es
mich sogar etwas wundert, dass Sie die andere nicht sofort kategorisch
ausschließen.«
Pius lächelte wieder sein feines Lächeln. »Ich habe
keine Angst vor Ferdl, im Gegensatz zu meiner Frau, die sich in seiner
Gegenwart immer sehr unwohl fühlt. Dabei müsste sie das gar nicht, uns kann er
nichts anhaben. Und im Prinzip haben wir einen prima Job hier. Wir leben in
einer paradiesischen Umgebung, er ist so selten zu Hause, und wir verdienen
überdurchschnittliches Geld.«
Er nannte Ferdinand Friedl beim Vornamen, nannte ihn
sogar Ferdl, das war interessant. »Sie sagen, er kann Ihnen nichts anhaben? Er
könnte Ihnen kündigen, Sie rauswerfen, er scheint nicht gerade zimperlich zu
sein mit Angestellten. Das zumindest durfte ich heute in Miesbach erleben.«
Gerhard sah Pius Hörmooser fragend an.
»Er wird uns nie kündigen, es sei denn, wir kündigen«,
sagte Pius völlig emotionslos.
»Aha?«
»Herr Weinzirl, Sie stehen hier vor meinem Elternhaus,
das heute Ferdl bewohnt. Es wurden vor Jahren gewisse Abmachungen getroffen,
gewisse Verträge unterzeichnet. Was und wie, das wollen Sie bestimmt gar nicht
wissen.« Um Pius’ Mundwinkel zuckte es ein wenig.
»Nein, wozu auch«, sagte Gerhard und wusste in dem
Moment, dass Ferdl Friedl in Pius Hörmooser wohl seinen Meister gefunden hatte.
Dass dieser bemerkenswerte Pius dem großen Bauzampano auf Augenhöhe begegnete.
»Ferdl wirkt auf die meisten sehr einschüchternd, ich
kenne ihn auch anders. Wir sind zusammen aufgewachsen. Sein Weg ist nicht
meiner, aber im Prinzip amüsiert mich das ganze Aufheben, das um Ferdinand
Friedl gemacht wird.« Pius Hörmooser hatte immer noch dieses Lächeln um die
Mundwinkel.
Sie waren weitergegangen bis zum Hundezwinger, wo die
vier Tiere wie wild zu wedeln begonnen hatten. Pius Hörmooser öffnete den
Zwinger, und die Hunde schossen heraus, umkreisten die Männer und sprangen an
ihnen hoch.
»Ich lass sie immer raus, lass sie Hund sein, wenn
Ferdl nicht da ist. An einem Menschen hochzuspringen, das ist für einen
Jagdhund natürlich eine Todsünde. Aber die Jungs hier sind schlau. Wenn Ferdl
da ist, kuschen sie. Kennen Sie das meistverwendete Wort eines Jägers für
seinen Hund?«
»Nein.«
»Es lautet: »Dulde!«. Und ein Jäger hebt einen Hund
auch nie so auf, wie Sie das täten, indem Sie ihn unterm Bauch fassen. Ein
Jäger packt ihn am Nacken und Rückenfell.«
Gerhard tätschelte einen der Hunde. Ja, das hatte er
schon gehört. Er fühlte Erleichterung darüber, dass die vier ein besseres Leben
führten, als es auf den ersten Blick ausgesehen hatte. Plötzlich fiel ihm etwas
ein. »Pius, sagen Sie, hatte Herr Friedl am Montag einen Hund dabei?«
»Ja, Wotan, das ist der
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