Nachtpfade
da.« Er zeigte auf einen der
vier Hunde, die für Gerhard alle ziemlich gleich aussahen.
»War der Hund irgendwie komisch?«, fragte Gerhard
weiter.
»Komisch? Die Hunde sind immer erschöpft, wenn sie mit
Ferdl unterwegs waren. Die Jagd und der Gehorsam, die ständige Konzentration
sind sehr anstrengend für die Tiere. Der hier ist noch jung, er muss noch
lernen zu unterscheiden. Kuschen bei Ferdl, Spaß haben bei mir.«
»Danke für Ihre Zeit«, sagte Gerhard, und langsam
gingen sie, von den Hunden umtanzt, Richtung Eingang. Evi kam gerade heraus.
Auf den Stufen lag ein riesiger roter Kater, der sich nun betont gelangweilt
erhob und aufsetzte. Die Hunde wurden langsamer, und einer nach dem anderen
gaben sie dem Kater einen Nasenstüber. Es war, als hielte der Rote Hof.
»Ferdl hasst Katzen. Der hier ist King Kong. Er hasst
Ferdl und provoziert ihn, wo er kann. Läuft auf dem Balkon vor seinem Büro
herum und, was schlimmer ist: Ferdls blutrünstige Hunde verneigen sich in
Ehrfurcht vor einem Kater.« Pius lachte nun lauthals und bückte sich, um den
Kater zu kraulen.
»Haben Sie keine Angst, dass King Kong mal was
zustoßen könnte? Hier gibt es ja viele Waffen«, meinte Gerhard.
»Nein, das wird so wenig eintreten wie der Umstand,
dass wir unseren Job verlieren, gell, Weibi?« Er zwinkerte seiner Frau zu, die
neben Evi stand.
»Ach du, du Kasperlkopf! Du und deine Reden.« Sie
schüttelte den Kopf, warf Evi und Gerhard ein »Pfüa Gott« zu und sagte, dass
sie sich um ihren Kuchen kümmern müsse.
Pius Hörmooser gab den Kommissaren die Hand und
verabschiedete sich ebenfalls. Er pfiff den Hunden, und wie er da so über den
Vorplatz schritt, war es, als wäre er der Gutsherr. Der Kater ging gemessenen
Schrittes ebenfalls hinterher. Gerhard sah der Gruppe mit einem Lächeln nach.
»Faszinierend und völlig anders als erwartet. Und, Evilein, hast du von
Sieglinde noch was erfahren?«
»Nein, ich habe sie natürlich gefragt, ob Friedl nach
dem Tee noch hätte unbemerkt wegfahren können.«
»Und?«
»Na ja, sie sagte, dass sie auch gleich ins Bett sei
und nichts mehr gehört habe. So wirklich ausschließen, dass er nochmals
weggefahren ist, kann man also nicht. Aber auch nicht beweisen. Hast du Pius
Hörmooser denn auch gefragt?«
»Nein.«
»Nein? Also Weinzirl, du bist doch raus, um dir die
Lage der Zimmer anzusehen, oder? Also du …«
»Stopp, meine Liebe. Ich musste nicht fragen. Er hat
mir die Nicht-Frage auch so beantwortet. Er kann nicht bestätigen, dass Friedl
weggefahren ist, er kann es aber auch nicht ausschließen. Hörmoosers schlafen
westseitig, unser reizender Baulöwe im Osten, und er kann über die Balkontreppe
runtergegangen sein, unbemerkt durch das Tor zur Garage und weggefahren sein.
Kann!«
»Toll, wieder keine Beweise«, schimpfte Evi.
»Nein, aber auch kein Alibi! So, und jetzt pack mers.«
Sie fuhren durch einen Ort namens Reichersdorf, wo
Gerhard kurzzeitig die Hoffnung hegte, etwas zu essen zu bekommen. Es gab eine
Wirtschaft in einem wunderschönen alten Bauernhaus. Leider hatte die bloß
sonntags offen und da auch nur für Brotzeiten und bitte nicht zwischen siebzehn
Uhr und neunzehn Uhr dreißig, weil da Stallzeit war. Heute war leider kein
Sonntag. Ja, auch so eine Glück-auf-Wirtschaft wie in Schönberg, dachte Gerhard
enttäuscht. Evi ersparte ihm weitere Belehrungen zur spätgotischen Kirche –
Gerhard nahm mal an, dass es sich um Spätgotik handelte. Nahrung gab es dann
schließlich beim Wiesweber am Stallauer Weiher, eine Rettung in Form eines
Schweinsbratens, der später nicht hätte kommen dürfen. Gerhard war massiv im
Unterzucker und im Unterweißbier. Gut, sie hatten weniger erreicht als erhofft,
aber doch einiges erfahren. Friedl war der Letzte gewesen, der Jacky lebend
gesehen hatte. Und er hatte kein Alibi. Das war doch schon mal was.
Als er schließlich in seiner Wohnung war, wurde es gerade
dunkel. Wenig später begann es von ferne zu grummeln, ein Grummeln, das sich
steigerte und zu schweren Böllerschüssen wurde. »Der Himmelpapa kegelt«, hatte
seine Mutter ihn als kleinen Jungen stets getröstet, wenn er Angst vor
Gewittern gehabt hatte. Peinlich genug, aber ihm war wirklich bange gewesen. Er
trat unter das Vordach heraus und betrachtete fasziniert das Zucken der Blitze.
Schlagartig kam Wind auf, ein kleiner Sturm, der ihm die Tür aus der Hand riss
und eine Plane in die Luft wirbelte. Dann peitschte der Regen heran, binnen
Sekunden, so als
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