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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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ein großes Erlebnis miteinander geteilt.
    Das war mehr als eine Oper oder ein Sonnenuntergang am See. Das war wahre Größe. Und er wollte sie mit diesem Jungen erleben.
    Matthias sprach ihn direkt von hinten an, und Gianni drehte sich überrascht um.
    »Wo haben Sie so gut Deutsch gelernt? Sie sprechen fantastisch!«
    Gianni fühlte sich geschmeichelt. »In der scuola. Ich habe nicht Englisch, nur Deutsch gewählt. Und für diese lavoro hier hab ich auswendig gelernt. Tantissimo.«
    »Das bewundere ich zutiefst«, hauchte Matthias und sah Gianni nicht an. Stattdessen fixierte er mit seinen Blicken die Darstellungen auf dem Fußboden des Doms. David wirft den Stein gegen Goliath.
    Aber er nahm nicht wirklich wahr, was er sah, sondern redete weiter.
    »Sie sind ein Sprachgenie. Sie erinnern mich an einen Mönch, dem ich vor Jahren auf dem Peloponnes begegnet bin. Er unterhielt sich mit mir in fließendem Deutsch. Und darüber war er stolz und glücklich, denn ich war der erste Mensch, mit dem er überhaupt ein deutsches Wort wechseln konnte. Er hatte sich die Sprache ganz allein mit Büchern von Thomas Mann, Goethe, Heinrich Heine und einem deutschen Wörterbuch beigebracht. Am folgenden Abend haben wir dann philosophiert, gegessen und getrunken, und ich kann Ihnen sagen, diese Begegnung war eines der schönsten Erlebnisse in meinem Leben überhaupt.«
    Gianni hatte nicht alles verstanden. Aber ihm war klar, dass dieser Fremde ihn mit Komplimenten überschüttete. Daher lächelte und nickte er.
    »Sie sind ein ähnlich begabter Mensch wie dieser Mönch«, fuhr Matthias fort. »Das, was Sie tun, ist außergewöhnlich, und mich interessieren außergewöhnliche Menschen.«
    Gianni hatte für heute Feierabend, er hatte Hunger und Durst und sehnte sich nach einer großen Portion Pasta und einem kühlen Glas Wein, aber der Fremde zog ihn immer tiefer ins rechte Kirchenschiff.
    »Ich möchte Sie um etwas bitten. Möchte Ihnen etwas vorschlagen. Wären Sie bereit, mir Ihre Stadt zu zeigen? Die Kunstschätze näher zu erläutern? Mir ein besseres Italienisch beizubringen? Wir könnten beide voneinander lernen. Sie perfektionieren Ihr Deutsch, und ich lerne Italienisch. Seien Sie mein Fremdenführer! Ich möchte nicht in einer Gruppe sein, ich möchte allein alles von Ihnen erzählt bekommen, und ich möchte Fragen stellen dürfen.«
    So viel hatte Gianni verstanden: Der Fremde wollte ihn als privaten Fremdenführer engagieren und bei dieser Gelegenheit mehr Italienisch lernen. Das war auf jeden Fall nicht schlecht, denn er war lange noch nicht ausgebucht.
    Also nickte er erneut.
    »Es wird Ihr finanzieller Schaden nicht sein. Ich zahle gut. Sagen wir: zwanzig Euro die Stunde? Ganz gleich, ob Sie mir einen Vortrag halten oder mich zum besten Friseur der Stadt fahren. Ich brauche einfach einen klugen, jungen Menschen um mich. Einen wie Sie.«
    Dieser Fremde war wie ein kleines Wunder, und Gianni hatte in diesem Moment das Gefühl, in einen Geld- und Glückstopf zu fallen. Dieser Mann war ein Geschenk des Himmels, ein Ende seines finanziellen Desasters war in Sicht, und die nächste Zeit schien wesentlich interessanter zu werden.
    Und er schlug in die Hand, die ihm Matthias hinhielt, voller Freude ein.
    Sie verabredeten sich für den nächsten Vormittag um zehn.

49
    49
    Berlin, August 2009
    Erst am nächsten Morgen kam die ersehnte Mail von Commissario Donato Neri von der Insel Giglio. Bis dahin hatte sie schon hundertmal die italienische Polizei verflucht, aber als sie dann schließlich die Papiere in den Händen hielt, rannte sie mit weichen Knien los, um jeden Fehler auszuschließen und die Experten die DNA -Ergebnisse vergleichen zu lassen.
    Nun hieß es, weitere zwei Tage auf das Ergebnis zu warten.
    Am dritten Tag erledigte sie den ganzen Vormittag über liegen gebliebene Post und schrieb Berichte, spürte aber, dass sie nicht wirklich bei der Sache war. Daher ging sie bereits um halb eins in die Kantine, aß lustlos Königsberger Klopse mit Reis, die ihrer Meinung nach versalzen waren, trank dazu einen Apfelsaft und eine kleine Flasche Mineralwasser und hörte jedes Mal ihr Herz klopfen, wenn sie sah, dass eine diffuse Gestalt, die Ähnlichkeit mit ihrem Assistenten Ben hatte, hinter der Milchglasscheibe den Flur entlangging, um dann die Kantine zu betreten. Ben hatte versprochen, ihr die Ergebnisse sofort zu bringen, wenn sie ins Büro gereicht wurden.
    Zwei Stunden später hatte sie endlich Gewissheit: Die DNA des

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