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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Fiorentiner-Steak, das Kai bestellt hatte, schwamm auf seinem Teller im Blut, und Matthias wurde beim bloßen Anblick übel.
    Kai begann mit Appetit zu essen. Matthias bekam keinen Bissen hinunter und wusste nicht, wo er hinsehen sollte. Wenn Kai das Blut aufs Kinn tropfte, wischte er es mit seiner Serviette weg, und nach einer Weile sah die Serviette aus, als hätte jemand Nasenbluten gehabt oder eine Wunde gestillt.
    »Werden Sie gleich in der Wohnung schlafen, oder bleiben Sie noch ein paar Tage im Hotel?«, fragte Kai mit vollem Mund.
    »Ich muss für die Wohnung noch einige Möbel kaufen«, antwortete Matthias mit leiser Stimme, so schlecht war ihm. »So lange bleibe ich im Hotel.«
    Als Kai aufgegessen hatte, schob Matthias seinen unberührten Teller zur Seite.
    »Was ist los? Haben Sie keinen Appetit? Habe ich Sie mit meinen Schauergeschichten schockiert?«
    »Nein, nein, aber mir ist nicht ganz gut. Ich denke, ich werde mich jetzt verabschieden.«
    »Kommen Sie, trinken Sie mit mir noch einen Grappa, dann wird Ihnen bestimmt besser.«
    Matthias nickte, und Kai orderte die Schnäpse.
    Erst als der blutige Teller abgeräumt war und der Grappa seine Kehle und seinen Magen wärmte, konnte Matthias wieder einigermaßen durchatmen.

48
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    Siena, August 2009
    Am nächsten Vormittag verließ er um halb zwölf das Hotel, trank in einer Bar seine ersten zwei Cappuccini, aß ein Croissant und schlenderte durch die Stadt. Er brauchte für seine neue Wohnung dringend ein Bett. Das war an sich schon schwierig, weil es keine großen Kaufhäuser, geschweige denn Möbelhäuser gab – jedenfalls kam er an keinem vorbei –, aber noch schwieriger wurde es, weil das nicht irgendein Bett sein durfte. Er hatte da ganz genaue und ganz spezielle Vorstellungen.
    Vereinzelt sah er Betten in Antiquitätenläden, eines zog er zumindest in Erwägung, das einen eisernen Rahmen und ein aus Eisen geschmiedetes Kopfteil in Form einer Lilie hatte. Aber eigentlich wollte er etwas Goldenes und hatte außerdem keine Lust, in einem Bett zu liegen, in dem eventuell schon Lucrezia Borgia ihre vielen Kinder geboren oder Katharina de Medici geschlafen hatte. Ganz zu schweigen von den nachfolgenden Generationen.
    Nein. Er wollte ein nagelneues, goldenes Messingbett, das alles andere als einen bescheidenen Eindruck machte.
    Nach zwei Stunden erfolglosen Umherirrens stand er plötzlich vor dem Dom und kaufte sich ganz spontan eine Eintrittskarte. Er wollte einfach nur eine Weile sitzen und seine Ruhe haben.
    Ganz vorn, unmittelbar vor dem Hochaltar, waren einige Bankreihen aufgestellt. Matthias setzte sich und ließ das gotische Bauwerk und die prunkvolle dunkelgrün-weiße Marmormaserung der Wände und Säulen auf sich wirken.
    Oh Gott, ich danke dir, betete er und faltete unwillkürlich die Hände, danke für dieses wundervolle, sorgenfreie Leben, das du mich führen lässt. Danke für meine Gesundheit, meine finanzielle Freiheit, danke, dass ich reisen und tun und lassen kann, was ich will, danke für dieses Glück, hier sein zu dürfen.
    In dem hohen Dom war er auf einmal ganz erfüllt von einem tiefen, religiösen Gefühl und überlegte, ob er dem Dank auch noch eine Bitte hinterherschicken konnte. Normalerweise flehte und bat er nur in sorgenvollen Zeiten oder ängstlichen Momenten, heute war er so stolz, endlich einmal nur danken zu können. Es musste Gott gefallen, wenn einige seiner Schafe nicht nur forderten und baten, sondern auch danken konnten, und er wollte diesen positiven Eindruck, den er wohl hinterlassen hatte, jetzt nicht gleich wieder durch eine Bitte zerstören. Andererseits dachte er daran, dass Gott seine Gedanken kannte und diese Unsicherheit mitbekommen hatte, insofern war es bestimmt ehrlicher, die Bitte auszusprechen oder in Gedanken auszuformulieren, als sie sich verlogen zu verkneifen.
    Der Allmächtige würde damit umzugehen wissen.
    Oh Herr, betete er in Gedanken weiter, bitte erlöse meine Mutter. Hole sie zu dir, erspare ihr die Qual des Dahinvegetierens und mir die Strapazen einer jahrelangen Pflege, der ich niemals gerecht werden könnte. Schenke ihr und mir den verdienten Frieden, in Ewigkeit, amen.
    Dann stand er auf und ging die wenigen Meter zu einem kleinen Holztischchen, wo man Kerzen spenden konnte. Er entzündete drei, was einen Euro fünfzig gekostet hätte, gab aber großzügig zwei Euro. Einen Augenblick lang überlegte er, ob er noch eine vierte Kerze anzünden sollte, ließ es dann aber bleiben. Drei

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