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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Tag auf der Insel«, fuhr Minetti fort. Allmählich begann ihm das Gespräch Spaß zu machen, denn die Deutsche hatte offensichtlich keine Ahnung, wie die Uhren auf Giglio tickten. Er bekam immer bessere Laune. »Vielleicht ist Ihr Mörder ja auch morgens früh mit der Fähre gekommen und abends wieder gefahren? Dann bleibt er auf alle Fälle anonym, denn auf den Tickets steht kein Name.«
    »Das gibt es doch nicht, dass Sie keine Möglichkeit haben, mir eine Liste derjenigen deutschen Touristen zu erstellen, die sich in der fraglichen Zeit auf Giglio aufgehalten haben!« Der freundliche Klang war aus Susannes Stimme verschwunden.
    »Doch, das ist so, Signora! Wir sind hier kein Polizeistaat, sondern nur eine kleine, romantische toskanische Insel. Jeder kann kommen und gehen, wie es ihm gefällt, ohne den Pass vorzeigen zu müssen. Versuchen Sie mal zu ermitteln, welche Italiener am Soundsovielten auf dem Oktoberfest in München waren. Da werden Sie auch keinen Erfolg haben.« Seit Jahren träumte er davon, das Oktoberfest zu besuchen, aber bis jetzt hatte es noch nie geklappt. Umso ärgerlicher, da fast alle seine Kollegen schon dort gewesen und total begeistert waren.
    Susanne Knauer schwieg und sagte schließlich: »Sie haben ja recht, entschuldigen Sie meine Ungeduld, aber es ist so ernüchternd, und im Moment ist Giglio unser einziger Anhaltspunkt.«
    Jetzt klang sie ganz klein mit Hut. Das gefiel Minetti schon besser.
    »Aber mal etwas ganz anderes, Frau Kommissarin: Sind Sie sicher, dass der Mörder, den Sie suchen, überhaupt ein Deutscher ist?«
    »Er hat bereits zweimal in Berlin gemordet, daher liegt die Vermutung nahe.«
    »Vielleicht. Es kann aber auch ein Albanese, Franzose, Chinese oder Russe sein. Und insofern wissen wir überhaupt nicht, wo wir mit der Suche ansetzen können.«
    »Halten Sie es für sinnvoll, wenn ich oder meine Kollegen nach Giglio kommen?«
    »Eher nicht, so gern ich Sie auch kennenlernen würde, Signora, denn Ihre Stimme klingt äußerst sympathisch«, schmeichelte Minetti ihr. »Ich denke, Sie können hier nichts ausrichten. Was wir tun können, tun wir, und wir kennen uns vor Ort natürlich wesentlich besser aus.«
    Susanne erwiderte nichts. Sie war offensichtlich sprachlos, und Minetti war sehr zufrieden. Er rührte in seinem Kaffee und wartete ab.
    »Gut. Dann bitte ich Sie, Commissario, den Fall nicht aus den Augen zu verlieren und mich bei der kleinsten Kleinigkeit zu informieren«, sagte sie nach einer kurzen Pause.
    »Das ist doch selbstverständlich, und es wird mir eine Freude sein.«
    »Vielen Dank für Ihre Mühe.«
    »Grazie a lei e una buona giornata!« Minetti legte auf.
    Er lehnte sich zurück, streckte sich wohlig und war sehr froh, wie problemlos er die Wogen wieder einmal geglättet hatte.
    Alles war gut. Zumindest auf Giglio. Er nahm die Akte, auf die er »Berlino/Giglio« geschrieben hatte, und ließ sie tief in einer Schublade verschwinden.

53
    53
    Galgano, August 2009
    Es war sein letzter Tag in Italien, ein strahlend schöner Hochsommertag mit dunkelblauem Himmel und klarer Sicht bis zum Horizont, und Matthias spürte, dass er wehmütig wurde.
    Vorgestern hatte völlig überraschend Thilda angerufen. Er wusste, dass sie nur im Notfall anrief, und bekam einen Heidenschreck, als das Telefon klingelte und er auf dem Display ihre Nummer erkannte.
    »Keine Sorge«, begann sie sachlich, »ich rufe dich nicht an, weil es deiner Mutter schlechter geht – im Gegenteil.« Sie nahm regelrecht Anlauf. »Matthias, deine Mutter redet wieder. Nicht viel, aber immerhin. Und unentwegt fragt sie nach ihrer Prinzessin! «
    Matthias hätte heulen können, so glücklich war er. Sie kam zurück! Sie erinnerte sich wieder! Er musste nach Hause. Unbedingt. Sie rief nach ihm. Er war ihre Prinzessin, er wollte so schnell wie möglich zu ihr und für sie da sein.
    Im ersten Moment konnte er kaum sprechen. Seine Stimme war belegt. »Ich komme, so schnell ich kann«, sagte er. »In zwei, drei Tagen bin ich da!«
    Thilda kommentierte die eilige Rückkehr nicht. »Prima, das ist sicher gut für sie. Aber ich wollte dir nur sagen, dass sie jetzt im Heim ist. Bei der Reha haben sie sie rausgeworfen, da kann man schließlich nicht ewig bleiben, das ist der ganz normale, automatische Weg.«
    »Heim? Wie? In welchem Heim?«
    »Im Heim der Barmherzigen Schwestern. Ich glaube, das ist in Ordnung, es erschien mir ganz okay. Ich hatte auch nicht die Zeit, mir noch sechsundzwanzig andere Heime

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