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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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noch müder machte.
    Schließlich legte sie sich noch einmal hin und grübelte darüber nach, was in ihren Neri gefahren war, dem sie so ein Verhalten niemals zugetraut hätte.
    Um neun stand sie auf und ging hinunter an den Hafen, um ein paar Lebensmittel einzukaufen.
    An diesem Morgen gab es auf der Insel kein anderes Gesprächsthema als das Fährunglück im Hafen. Viele Hausfrauen gingen überhaupt nur zum Einkaufen, um das Allerneuste zu erfahren. Und obwohl Rosa nur Brot, Salat und Käse kaufen wollte, dauerte es fast eine halbe Stunde, bis sie den Laden wieder verließ, in dem seit heute früh heiß diskutiert wurde.
    Eigentlich sah sie nur jemanden aus den Augenwinkeln, einen diffusen Schatten, aber sie wusste sofort, dass er es war, und drehte sich um. Auf dem kleinen Balkon eines schmalen Hauses stand Neri zusammen mit einer Frau.
    Rosa war ungefähr dreißig oder vierzig Meter entfernt, aber sie konnte deutlich erkennen, dass er den einen Arm um die Schultern der Frau gelegt hatte und mit der anderen Hand aufs Meer zeigte und irgendetwas erklärte.
    Ihr wurde schwindlig. Das Sonnenlicht flimmerte vor ihren Augen, und der Leuchtturm an der Mole schien zu schwanken.
    Und wieder sah sie zum Haus. Jetzt ging er mit der Frau zusammen zurück ins Zimmer.
    Rosa musste sich setzen und sank auf eine der steinernen Bänke, die überall an der Promenade aufgestellt waren.
    Viele Möglichkeiten gab es nicht. Die Frau sah gut aus. So viel hatte sie auf Anhieb gesehen und sofort das Vergleichsprogramm aufgerufen. Sie war größer und schlanker als Rosa, ob sie auch jünger war, konnte man aus der Entfernung nicht abschätzen. Wahrscheinlich eine Touristin, denn Rosa kannte das Appartement und wusste, dass Mauro ab und zu an Touristen vermietete. Neri hatte sie anscheinend kennengelernt, als er die mit der Fähre Ankommenden befragte, und war ihr sofort ins Appartement gefolgt. Ein paar nette Sätze – und ab in die Kiste. Das waren ja schöne Zustände. Neri war also kein stilles Wasser, sondern ein Draufgänger und Schwerenöter, der es perfekt verstand, die Frauen um den kleinen Finger zu wickeln.
    Rosa hatte immer geglaubt, eine gute Menschenkenntnis zu besitzen, aber auf diesen schüchternen Carabiniere war selbst sie hereingefallen.
    Enttäuscht und verletzt ging sie langsam nach Hause. Sie fühlte sich kraftlos und schlapp, ihre erfrischende Energie und ihr aufrechter, stolzer Gang waren verschwunden. Wenn man sie so sah, mit rundem Rücken und traurig eingefallenen Schultern, wirkte sie zehn Jahre älter, als sie war.
    Neri kam in der Mittagspause.
    »Rosa, es tut mir leid, dass ich gestern Abend nicht mehr gekommen bin. Aber es ging einfach nicht. Und ich konnte dir auch nicht Bescheid sagen.«
    »So«, meinte sie spitz, »konntest du nicht.«
    »Nein. Weil …« Neri schluckte und schämte sich entsetzlich. »Meine Frau ist gekommen. Sie war auf der Unglücksfähre und wollte mich mit ihrem Besuch überraschen.«
    Das hatte Rosa nicht erwartet. Sie war völlig perplex. Dieser Schweinehund hatte sie also belogen und war doch verheiratet.
    »Wie hast du denn jetzt so schnell eine Familie aus dem Hut gezaubert? Ich denke, du hast keine?«
    »Doch. Ich weiß auch nicht, warum ich das gesagt habe. Es ist mir einfach so rausgerutscht, weil ich dich so aufregend fand.«
    Sie lachte kurz und bitter auf. »Weißt du was, Neri? – Verschwinde!«
    »Rosa, es tut mir leid! Es tut mir wirklich leid. Meine Frau bleibt nur übers Wochenende, dann ist alles wieder gut, ja?«
    Rosa baute sich vor ihm auf, und ihre Augen funkelten wütend. »Geh mir aus den Augen, Donato Neri, und lass dich hier nie wieder blicken!«
    Neri sah sie irritiert an, aber ihr Blick blieb hart und kalt.
    Daraufhin drehte er sich um und verließ ohne ein weiteres Wort Rosas Wohnung.

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    Minetti hatte sich gerade Milchkaffee gekocht und stippte sein Croissant hinein, als das Telefon klingelte. Die Störung passte ihm gar nicht. Es war schon schlimm genug, dass er an diesem Morgen im Büro saß, weil Neri immer noch mit dem leidigen Fährunglück am Hafen beschäftigt war, aber die Kaffeestunde war ihm heilig. Daher überlegte er, ob er abheben oder es einfach weiterklingeln lassen sollte, doch dann entschied er sich schweren Herzens, an den Apparat zu gehen. Zu dieser unchristlichen Zeit morgens um zwanzig nach neun konnte es etwas Wichtiges sein, denn seine Freunde wagten ihn erst nach elf Uhr anzurufen.
    Dementsprechend unwirsch meldete er sich,

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