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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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seiner Seele liebte er sein Loft.
    »Was hältst du davon, wenn ich uns ein paar Pizzen bestelle?«
    »Meinetwegen. Und vielleicht liefern die ja auch Bier mit.«
    Matthias telefonierte. Der Pizzaservice versprach, in weniger als einer halben Stunde da zu sein.
    »Möchtest du denn im Moment überhaupt wieder arbeiten? Oder willst du dich lieber eine Weile erholen?«
    »Erholen? Erholen?«, keifte Alex. »Nennst du das hier erholen? Sieht das hier nach Sommerfrische aus? Ich würde das dahinvegetieren nennen. Je eher ich hier nicht mehr vierundzwanzig Stunden am Tag rumhänge, umso besser.«
    »Okay. Also willst du arbeiten?«
    »Natürlich will ich arbeiten.«
    »Ich könnte im Rautmann’s vielleicht was für dich tun. Du weißt, ich kenne den Küchenchef ziemlich gut, und ich bin sicher, er tut mir gern mal einen Gefallen.«
    »Meinetwegen. Versuch’s.«
    Matthias war überrascht. Er hatte damit gerechnet, dass ein Vorschlag, der von ihm kam, sofort abgeschmettert wurde, aber Alex wirkte plötzlich zahm und gefügig, wie ein Luftballon, aus dem langsam die Luft entwich.
    »Der Laden ist – glaub ich – in Ordnung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da solche Zustände und solch ein Ton herrschen wie im Hotel. Ich war auch schon oft in der Küche, das sieht da alles sehr, sehr anständig aus.«
    »So von außen sieht immer alles anständig aus. Und normalerweise bist du nur nach Feierabend in der Küche. Da ist dann natürlich Ruhe. Aber wir können es ja mal versuchen. Schlimmer kann’s schließlich nicht kommen. – Übrigens hab ich mein Konto schon bis zum Gehtnichtmehr überzogen, da wird nichts mehr abgebucht. Als Nächstes stellen die mir hier Strom und Telefon ab.«
    Matthias wollte das alles nicht mehr hören. Am liebsten wäre er auf der Stelle zurück nach Italien gefahren, um von all dem nichts mitzubekommen. Aber er musste dringend ins Büro, einiges klären, vielleicht ein paar Aufträge an Land ziehen und eventuell sogar die eine oder andere Immobilie verkaufen, bevor er wieder losziehen konnte.
    Berlin war einfach nicht zu ertragen. Kaum war man ein paar Stunden hier, schwappte das Elend über einen wie die übelriechende Woge aus einer Kloake. Er wollte das alles nicht mehr, die Welt war so schön, und das Leben war zu kurz, um davor die Augen zu verschließen.

55
    55
    Matthias war so aufgeregt wie ein Kind vor der Bescherung am Heiligabend.
    Als er das Heim betrat, rannte er über den Flur, riss die Tür auf, stürzte ins Zimmer und fiel vor seiner Mutter, die im Rollstuhl am Fenster saß, auf die Knie.
    »Mama!«, rief er. »Deine Prinzessin ist wieder da!«
    Henriette war wie immer bestens frisiert, und ihre weißen Haare waren wie in den Zwanzigerjahren in Wellen gelegt. Sie saß mit gefalteten Händen da, und ihre wuchtigen Ringe glänzten in der Nachmittagssonne, die trotz der dünnen, weißen Gardinen ins Zimmer schien.
    Vorsichtig legte sie ihre Hände auf seinen Kopf, als wollte sie ihn segnen.
    »Ich bin’s!«, flüsterte er noch einmal. »Deine Prinzessin!«
    Langsam, wie ein Nebel, der sich verzog, erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht.
    »Prinzessin!«, hauchte sie. »Oh mein Gott, meine Prinzessin!«
    Ihre Augen wurden feucht, und ihre Hände zitterten.
    Matthias stand auf und setzte sich aufs Bett.
    »Wie geht es dir? Wie fühlst du dich?«
    Sie antwortete nicht, sondern begann ihren Handrücken zu kratzen.
    Er sah sich um. Der ganze Raum war quittegelb gestrichen, eine Farbe, die er auf den Tod nicht ausstehen konnte. Auf der sonnengelben Wand prangte, dem Bett genau gegenüber, ein bedrohliches dunkelbraunes Holzkreuz, das einschüchternd wirkte und fast jede weltliche Wanddekoration unmöglich machte.
    Der quadratische Tisch am Fenster war mit einem grauen, abwaschbaren Belag beklebt, ebenso die Sitzflächen der beiden Stühle, die unter den Tisch geschoben waren. An der Wand ein Toilettenstuhl, ein Regal mit einigen zerlesenen Büchern aus dem Heim, daneben auf einem fahrbaren Tischchen ein Fernseher und neben der Badezimmertür ein kleiner Schrank aus hellem Holz. Vor der gelben Wand sah der Schrank primitiv und erbärmlich aus.
    Das war alles. Keine Bilder, keine Blumen, keine Teppiche, keine Tischdecke – nichts. Überhaupt keine persönlichen Dinge.
    »Wo sind deine Sachen, Mama?«
    Sie zuckte mit den Achseln.
    »Haben die aus der Reha nichts hierhertransportiert?«
    Wieder Achselzucken.
    In Matthias stieg die Wut hoch. Thilda hätte ja wenigstens mal nachfragen und

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