Nachtprinzessin
denn einverstanden? Ich meine, sie kennen sich ja kaum.«
»Da können wir uns in diesem Fall nicht drum kümmern. Was geschehen ist, ist geschehen, jetzt müssen auch die Kinder die Konsequenzen tragen. So wie wir. Und sie haben ja nun genug Zeit, sich kennenzulernen.« Was sollte sie dazu noch sagen? Sie hatte ja keine Wahl.
»Ich glaube nicht, dass mein Sohn einverstanden beziehungsweise begeistert ist. Das heißt, ich glaube nicht, dass er Ihrer Entscheidung zustimmt.« Ihr Ton war jetzt genauso spitz und überheblich wie der Ingeborgs.
»Das liegt an Ihnen. Ich glaube schon, dass Sie beide diese Lösung einer Anzeige wegen Vergewaltigung vorziehen. Meine Tochter hat so etwas angedeutet, aber natürlich will sie Ihren Sohn schützen, wenn er sie jetzt nicht im Stich lässt. So ein Prozess wäre eine äußerst unschöne Sache, die Medien würden sich mit Leidenschaft darauf stürzen, und Ihr Sohn hätte keine Chance. Schließlich hat meine Tochter die Beweise im Bauch. So weiß ich nichts, aber wenn ich gezwungen sein sollte, mein Gedächtnis zu bemühen, kann es schon sein, dass ich in der Nacht im Park zufällig etwas sehr Unschönes gehört oder gesehen habe. Ich würde vorschlagen, wir telefonieren in einer Woche, um die Hochzeit zu besprechen, für heute wünsche ich Ihnen einen guten Tag.«
Ingeborg wartete Henriettes Antwort gar nicht mehr ab, sondern legte einfach auf.
Henriette saß da wie gelähmt. Mein Gott, wie widerlich. Da machten die Dornwalds aus einer Mücke einen Elefanten und drohten sogar, Matthias wegen einer nicht begangenen Straftat anzuzeigen. Sie hatte spontan Lust, sich Ingeborgs Anweisung zu widersetzen. Nur um Schwierigkeiten zu machen, um sich nicht einfach wie ein Schaf zu fügen und nach Ingeborgs Pfeife zu tanzen, aber die unverschämte Drohung, die sie ausgesprochen hatte, beunruhigte sie.
Sie ging in die Küche und kochte sich entgegen ihrer Angewohnheit noch einen Kaffee. Normalerweise trank sie am frühen Morgen drei Tassen und dann den ganzen Tag nicht mehr, aber sie wollte sich in Ruhe überlegen, was sie Matthias sagen würde.
Der Kaffee war heiß und stark, und je mehr ihr Blutdruck stieg, umso ruhiger wurde sie. Vielleicht war die Situation gar nicht so schlecht. Matthias war labil, unreif und unberechenbar. Er hatte nicht den geringsten Plan, was er werden und aus seinem Leben machen sollte. Die Gefahr, dass er sich in eine primitive Schlampe verlieben könnte, war groß. Sie hatte schon oft damit gerechnet, denn die Freunde, mit denen er sich herumtrieb, verursachten ihr Magenschmerzen. Thilda von Dornwald war weiß Gott keine schlechte Partie. Wohlerzogen, gebildet und aus reichem Haus. Es hätte schlimmer kommen können. Vielleicht sollte sie es mal von dieser Warte aus betrachten. Matthias kam unter die Haube, gründete schneller eine Familie, als er je gedacht hatte, und musste ab sofort Familienvaterpflichten übernehmen. Das würde ihm guttun. Er käme zur Ruhe. Seine wilden Jahre, die gerade erst begonnen hatten, wären schon wieder vorbei. Im Ansatz erstickt. Das junge Füllen wäre bereits nach seinem ersten Ausritt gezähmt.
Henriette lächelte. Leichtfüßig wie ein junges Mädchen lief sie die Treppe hinauf und klopfte an Matthias’ Tür.
»Ich denke nicht daran zu heiraten«, murmelte Matthias. »Ich kenne sie ja kaum.«
»Das hättest du dir vorher überlegen sollen!«
»Himmel, Mama! In welchem Jahrhundert leben wir denn? Heutzutage heiratet man doch nicht mehr, nur weil man mit einer Frau ins Bett gegangen ist und sie schwanger geworden ist! Komm mal wieder zurück auf den Teppich, Mutter!«
»Sie kommt aus keinem schlechten Stall, und das ist schon mal die halbe Miete. So ist die Gefahr gebannt, dass du irgendwann mit einer Wurstverkäuferin ankommst.«
»Wer garantiert dir, dass ich nicht auch jetzt noch mit einer Wurstverkäuferin ankomme?«
»Das wirst du schön bleiben lassen. Und eine Scheidung ist teuer und kompliziert. Vor allem, wenn ein Kind da ist.«
»Du kannst mir erzählen, was du willst, aber ich werde nicht heiraten!« Allmählich wurde Matthias ungehalten über den Ton seiner Mutter. »Wir sind hier weder in der Türkei noch im Mittelalter, und solange ich eine Frau nicht liebe, kommt eine Hochzeit nicht infrage.«
Henriette lächelte spöttisch. »Liebe, die von Anfang an da ist, verfliegt, mein Sohn. Aber die, die langsam entsteht, die bleibt. Und so groß kann die Antipathie zwischen euch nicht sein, sonst wäre Thilda
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