Nachtprinzessin
nicht schwanger.«
Matthias stand auf und funkelte seine Mutter wütend an. »Ich warne dich, halt dich da raus, Mama! Das ist mein Leben, und das sind meine Entscheidungen. Die gehen dich nichts an.«
Henriette lachte kurz auf. »Ich erinnere dich daran, dass du mein Sohn bist, in meinem Haus wohnst und von meinem Geld lebst. Und zwar nicht zu knapp. Insofern geht mich das alles sehr wohl etwas an!«
Matthias ging hinaus. Er hatte Lust, die Tür zuzuschlagen, wagte es dann aber doch nicht. Und so sah er nicht mehr, dass seine Mutter zufrieden lächelte.
Von nun an lief Henriette nur noch mit Trauermiene durchs Haus. Sie sprach lediglich das Allernötigste, und wenn Matthias sie etwas fragte, antwortete sie stereotyp mit »Ach, lass mich«.
Hin und wieder fasste sie sich theatralisch an die Brust und sank in einen Sessel. Matthias erschrak jedes Mal zu Tode, und wenn er ihre Hand nahm, stöhnte sie: »Es ist nichts, schon gut, es geht schon wieder.« Und er überlegte, ob sie so erschreckend blass war, weil es ihr wirklich schlecht ging, oder ob sie einfach aus taktischen Gründen auf ihr gewohntes Make-up verzichtete.
Er hielt die Situation und die Stimmung im Haus kaum aus und wusste beim besten Willen nicht, wie er sich verhalten sollte. Mittlerweile war er nicht mehr wütend, dass er wie immer nach ihrer Pfeife tanzen sollte, sondern fühlte sich schuldig. Er konnte es nämlich überhaupt nicht ertragen, wenn sie seinetwegen litt.
»Was ist los mit dir, Mama?«, fragte er zwei Tage später gegen Mittag, als er gerade aufgestanden war und sich einigermaßen ausgeschlafen fühlte. »Was hast du? Tut dir was weh? Wollen wir zu einem Arzt gehen?«
»Ein Arzt kann mir nicht helfen«, antwortete Henriette knapp und verließ das Wohnzimmer, um in die Küche zu gehen. Matthias folgte ihr.
»Wer denn?«
»Du.«
Natürlich. Das wusste er. Die Frage nach dem Arzt war nur ein Ablenkungsmanöver gewesen.
Er fuhr sich entnervt durch die Haare und spürte, wie ihm heiß wurde. »Was soll ich tun?«
Zum ersten Mal seit Tagen sah sie ihn direkt an. »Das fragst du noch? Ich dachte, ich hätte dir hinlänglich klargemacht, was du unbedingt tun musst, wenn du mich oder uns nicht ins Unglück stürzen willst. Ich dachte, du liebst mich.«
»Ich liebe dich auch«, flüsterte er und fühlte sich elend dabei.
»Warum machst du es mir dann so schwer? So dumm kannst du doch gar nicht sein, dass du nicht begreifst, wie unmännlich und falsch du dich verhältst, wenn du Thilda nicht heiratest. Du hast ein Mädchen geschwängert. Gut, die ganze Sache war ein Versehen, etwas übereilt und vielleicht auch nicht die feine englische Art. Ich weiß es nicht. Ist ja auch egal. So etwas passiert im Leben, wir sind ja alle nicht aus Holz. Aber wenn man einen Fehler macht, dann muss man auch die Konsequenzen tragen. Und es geht einfach nicht, dass du Thilda mit einem unehelichen Kind sitzen lässt. Das gehört sich nicht. Das ist unmöglich.« Sie setzte sich mit einem ungeduldigen Seufzer und wirkte ungeheuer beleidigt, während sie weitersprach und dabei aus dem Fenster sah.
»Mein Gott, ich wiederhole mich ungern, aber ich verstehe nicht, warum du dich so anstellst! Heiraten tut doch nicht weh! Scheiden vielleicht, aber heiraten nicht. Und bei deinem gedankenlosen Abenteuer hast du verdammt viel Glück gehabt, dass es eben keine Wurstverkäuferin war, sondern die Baroness von Dornwald. Ich bitte dich! Es gibt Schlimmeres, als standesgemäß zu heiraten. Und darum tut mir seit Tagen das Herz weh. Weil mein einziger Sohn zu dumm, zu unsensibel, zu bösartig, zu verbockt oder weiß ich was ist, um einfach einmal das zu tun, was ich ihm rate. Ich will doch nur dein Bestes, Matthias, ich lass dich doch nicht ins offene Messer rennen! So viel Vertrauen solltest du eigentlich haben.«
Sie zündete sich eine Zigarette an. Das tat sie nur äußerst selten, aber jetzt signalisierte sie ihm damit, dass die Unterhaltung damit für sie beendet war. Zu dem Thema gab es nichts mehr zu sagen. Es lag an ihm, sich zwischen Krieg und Frieden zu entscheiden.
Drei Tage später kapitulierte Matthias.
»Also gut«, sagte er, »ich werde Thilda heiraten.«
»Brav«, meinte seine Mutter und küsste ihn auf die Stirn.
15
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Herbst 1984
Zwei Wochen nach der Hochzeit zog Thilda bei ihm ein. Mit etlichen Kisten, einigen Koffern, Taschen und Tüten, ihrem Lieblingssessel, einer Handvoll Bilder, die Matthias alle scheußlich fand, und mit dreizehn
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