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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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nicht das Schwarze unterm Nagel. Die ganze Sippe ist hochgradig intrigant, und im Grunde sind alle deine Feinde. Lächelnd und ohne mit der Wimper zu zucken, würden sie dich für ’nen lumpigen Hektar Wald verkaufen. Das muss man wissen, dann kann man auch damit umgehen. Aber man muss eben auf der Hut sein.«
    »Was redest du denn da?«, warf Mechthild entsetzt ein.
    »Die Wahrheit«, erwiderte Friedrich stur und fuhr fort: »Seit du Thilda geheiratet hast, Jungchen, sind alle scheißfreundlich zu dir. Stimmt’s?«
    Matthias nickte. Er war äußerst gespannt, was jetzt kam.
    »Und vor allem mein lieber Bruder Ronald und meine Schwägerin Ingeborg tun so, als wärst du als Schwiegersohn das größte Glück der Erde. Das ist es auch, aber das hat nichts mit dir zu tun, Matthias. Bilde dir da bloß nichts drauf ein. Du bist vollkommen austauschbar. Mein Bruder ist heilfroh, dass er seine Tochter schmerzlos unter die Haube gekriegt hat. Er hält dich insgeheim zwar für einen Vollidioten, weil du die Vaterschaft so anstandslos akzeptiert und nicht angezweifelt hast, aber für die Familie war das natürlich wundervoll. Keine nervigen Anwälte, die sich gegenseitig hässliche Briefe schreiben, keine unschönen Details, die letztendlich vielleicht doch noch an die Öffentlichkeit kommen, und kein zum Fenster hinausgeworfenes Geld. Nein, du warst ein braver Junge, kommst auch aus keinem schlechten Stall, es ist also alles in Butter! Denn das war Ingeborgs größte Angst, dass Thilda eines Tages mit irgendeinem bekifften Taugenichts ankommt, der nicht bis drei zählen kann und seine Tage und Nächte versäuft. Und auch Thildas missratene Brüder, meine Neffen Hartmut und Michael, die beide lauthals hier geschrien haben, als der Herrgott Dummheit und Arroganz verteilt hat, triumphieren. Mit der Heirat hat Thilda ihr Erbe verspielt, und sie brauchen jetzt das gesamte Vermögen nur noch durch zwei zu teilen. Wie praktisch und wie lukrativ! Tja, Jungchen, da habt ihr Pech gehabt, aber so ist das nun mal in Adelskreisen: Die Mädchen sind weniger wert als der Staub auf der Straße.«
    Nach dem Abendessen rauchte Matthias die erste Zigarre seines Lebens, und anschließend führte Friedrich ihn in sein Musikzimmer.
    »Ich bin ein Sammler«, erklärte er. »Alles was mich interessiert, sammle ich. Und Musik ist nun mal meine große Leidenschaft. Ich habe so ziemlich alle Platten, die man sich vorstellen kann, alles, was das Herz begehrt, und wenn mir was fehlt, werde ich ganz verrückt. Guck, hier ist die Abteilung Blues, dann Chormusik, Country, Dark Wave, Gregorianik, Hip-Hop, Jazz ist fast meine umfangreichste Abteilung, hier steht die Kirchenmusik, hier die klassische, Klaviermusik fängt auf der anderen Seite des Regals an, dann Metal, Orgelmusik, Pink, Reggae, Rock und Techno. Alles alphabetisch geordnet, hat mittlerweile wahrscheinlich einen enormen Wert, aber das ist egal. Es macht mich einfach glücklich, wenn die Sammlung vollständig ist und wenn ich meine Musik laut hören kann, weil sich Mechthild im anderen Trakt des Hauses rumtreibt.«
    »Was fehlt dir denn noch?«
    »Ach, das fällt mir jetzt so schnell nicht ein. Einiges vom jungen Benny Goodman aus dem Chicago Jazz zum Beispiel, dann fast der komplette Jimmie Rodgers und etwas ganz Spezielles, die Messe de Nostre Dame von Guillaume de Machaut. Das ist eine der ältesten Vertonungen des Ordinariums überhaupt, und ich weiß nicht, ob man sie überhaupt in Plattenform erhalten kann. Auch noch andere Sachen, aber da müsste ich jetzt nachgucken.«
    Jimmie Rodgers und Benny Goodman konnte er sich merken, aber: »Guillaume de Machaut … Guillaume de Machaut … Guillaume de Machaut … Messe de Nostre Dame …«, hämmerte Matthias’ Gehirn. Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn von den Wünschen Friedrichs nicht einiges auf Berliner Antikmärkten aufzutreiben wäre.
    Am nächsten Morgen verabschiedete sich Matthias schweren Herzens.
    »Du kannst jederzeit wiederkommen, Jungchen«, sagte Friedrich und schloss ihn in die Arme. »Und wenn es ein Problem gibt – du hast ja meine Telefonnummer.«
    Thilda saß vor dem Fernseher und massierte ihren Bauch mit Babyöl, als er nach Hause kam. Und sagte kein Wort, keine Begrüßung, nichts.
    »Pass auf«, sagte Matthias, schaltete den Fernseher ab und setzte sich ihr gegenüber. »Du brauchst dich hier nicht so anzustellen und die Beleidigte zu spielen. Dafür hast du keinen Grund. Das war kein Vergnügungstrip, ich

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