Nachtprinzessin
war beruflich unterwegs, meine Liebe. Hab mich um meine Karriere gekümmert.«
Sie schnaubte verächtlich.
»Jedenfalls hab ich ein paar Aufträge an Land gezogen. Nur dass du dich seelisch schon mal drauf einrichtest: Ich werde in nächster Zeit wahrscheinlich viel unterwegs sein. Wenn du Gesellschaft brauchst, geh zu meiner Mutter. Die ist auch allein.«
Thilda sprangen Tränen in die Augen. »Gott, bist du widerlich!«
Matthias stand auf und ging zu seinem Schreibtisch. »Und bitte, hör auf mit der Ölschmiererei, das macht mich nervös. Im Bad kannst du so viel schmieren, wie du willst, aber bitte nicht hier!«
»Ich wusste ja nicht, dass sich der gnädige Herr die Ehre gibt!«, schrie sie. »Meinetwegen kannst du in der Weltgeschichte herumgurken, so viel du willst, das stört mich gar nicht, aber du könntest mir doch wenigstens Bescheid sagen, wenn du nachts nicht nach Hause kommst! Schleichst dich hier heimlich aus dem Haus und sagst noch nicht mal Tschüss?«
Da er nicht antwortete, stand Thilda auf, zog ihren Pullover wieder über den Bauch, nahm das Öl und verschwand ohne ein weiteres Wort im Bad.
In den nächsten zwei Wochen stand Matthias jeden Morgen um neun Uhr auf, trank zwei Tassen Kaffee im Stehen und verließ die Wohnung. Er besuchte sämtliche Trödelmärkte, zog durch die Antiquariate, und wenn er zwischendurch kurz nach Hause kam, um etwas zu essen, telefonierte er und verhandelte mit Versicherungen.
In der zweiten Woche stand er bereits um acht auf und am Wochenende um sieben.
Nach drei Wochen hatte er die wertvollen Teppiche extrem günstig versichert, hatte fünfzehn längst vergriffene Schellackplatten von Jimmie Rodgers aufgetrieben, vier Platten des jungen Benny Goodman gekauft und sogar die Messe de Nostre Dame gefunden. Er war darüber unglaublich glücklich und konnte es gar nicht erwarten, Friedrich damit zu überraschen.
Kurz vor Weihnachten fuhr er zu ihm.
»Ich fasse es nicht!«, brüllte Friedrich. »Du bist ein echter Tausendsassa. Hab ich mich doch nicht in dir getäuscht. Klasse, Jungchen.« Dabei drückte er ihn sanft auf einen Stuhl. »Ich hab eine Idee! – Jetzt gedulde dich zehn Minuten und warte auf mich. Ich muss nur mal kurz telefonieren, denn eventuell hätte ich einen fantastischen Auftrag für dich.«
Als Friedrich nach einer Viertelstunde wiederkam, hatte er zwei Sherry in der Hand und setzte sich Matthias gegenüber.
»Pass auf«, sagte er. »Mein Freund Hubertus sucht ein Liebesnest für sich und seine Geliebte in Berlin. Zentral gelegen, zwei Zimmer, kleine Dachterrasse, offene, moderne Küche – die Dame ist eine Küchenfetischistin. Wichtig wäre außerdem noch eine Garage. Der offene Sportwagen meines Freundes sollte, um nicht gesehen zu werden, nicht einfach so auf der Straße herumstehen. Keine einfache Sache, aber mein Freund will mit Maklern nichts zu tun haben, verstehst du? Sie sind zu dusslig, und die Gefahr ist einfach zu groß, dass sie eines schönen Tages bei ihm zu Hause anrufen, um zu einer Besichtigung einzuladen. Und was dann los ist, kannst du dir ja vorstellen. Also: Mach dich auf die Socken und hör dich um! Mein Freund knausert nicht mit der Provision, darauf kannst du dich verlassen!«
Als Matthias nach Hause fuhr, war er in Hochstimmung. Wenn er wollte und ihm niemand, so wie Thilda, Knüppel zwischen die Beine warf, konnte er alles erreichen! Das Leben war großartig, und die Welt war dazu da, von ihm aus den Angeln gehoben zu werden.
17
17
Dezember 1984
Bester Laune schlenderte Matthias durchs KaDeWe. Von seinem ersten selbst verdienten Geld wollte er sich etwas gönnen und gleichzeitig in seine berufliche Laufbahn investieren. Auf seinen frisch gedruckten Visitenkarten auf sündhaft teurem geschöpftem Büttenpapier prangte sein vollständiger Name: MATTHIAS AMADEUS VON STEINFELD , und darunter hatte er »Organisationsmanager« gesetzt.
Was immer das auch bedeuten mochte.
Seine Visitenkarten machten etwas her, das wusste er. Noch nie hatte er so aufwendige, auffällige, außergewöhnliche Visitenkarten gesehen, und das erfüllte ihn mit Stolz. Es war noch nicht einmal eine halbe Stunde her, seit er sie aus der Druckerei abgeholt hatte, und auch hier im KaDeWe blieb er immer wieder stehen, öffnete den Karton und bestaunte sie. Die Karten machten ihn zu einer Persönlichkeit, der er selbst Respekt und Bewunderung zollte.
Er wusste ganz genau, was er jetzt noch unbedingt brauchte, und fuhr mit dem Fahrstuhl in den
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