Nachtprinzessin
Sonne. Ab und zu machte er mit diesem Arm eine elegante Handbewegung, als wollte er eine Acht in die Luft malen, was seine ausgesprochen gute Laune ausdrücken sollte.
Dass Kai Gregori im Wagen vor ihm langsam verrückt wurde, merkte er ganz deutlich. Der Mann versuchte mithilfe des Rückspiegels Blickkontakt zu ihm aufzunehmen und ihn mit allen möglichen Gesten zum Schnellerfahren zu bewegen, aber vergeblich. Matthias winkte ihm fröhlich zu, folgte in seinem Porsche weiterhin im Schneckentempo, und wenn Kai nicht ab und zu auf ihn gewartet hätte, hätte er ihn aus den Augen verloren.
Matthias konnte sich gut vorstellen, wie Kai ihn jetzt verfluchte, auf ihn schimpfte und ihn für einen Vollidioten und Ignoranten hielt, aber das war ihm egal. Er war hier der jenige, der Ton und Tempo angab, nicht der Makler, der ihm eine Ferienwohnung aufschwatzen wollte.
Allmählich bildete sich hinter ihm ein Stau. Auf der Landstraße parallel zur Küste war meist gar kein Überholen möglich. Wenn es doch einer schaffte und dabei wütend über die Schlafmütze hupte, warf Matthias ihm Kusshändchen zu. Es war ihm klar, dass er sämtliche Verkehrsteilnehmer provozierte, und er fühlte sich großartig dabei.
Nach unendlich langen eindreiviertel Stunden erreichten sie Porto Santo Stefano. Der Hafen erschien Matthias riesig, auf den Fotos in den Reiseführern hatte er immer nur wenige typisch italienische Häuser gesehen, und davor ein paar weiße Jachten, aber hier gab es gleich drei Hafenbuchten, vollgepfropft mit Schiffen. Es war ein ständiges An- und Ablegen und an Land ein unübersichtliches Gewirr von Straßen. Autos hupten, parkten und kurvten durch die Gegend, dass es einem schwindlig werden konnte. Nirgends der Hinweis auf einen ruhigen Parkplatz, Matthias war in diesem Chaos sofort mit den Nerven am Ende.
Kai blieb auf der Strandpromenade hemmungslos in zweiter Spur stehen, Matthias hatte gar keine andere Wahl, als direkt hinter ihm anzuhalten. Kai stieg aus und kam zu ihm. Ein empörtes Hupkonzert begann. Mit großer Geste forderte Kai die Wagen hinter ihm auf, doch einfach vorbeizufahren. Er schüttelte den Kopf und wandte sich wieder lächelnd Matthias zu.
»Am besten, Sie bleiben hier stehen«, sagte er zu Matthias, der sein Fenster geöffnet hatte und sich am liebsten in Luft aufgelöst hätte. »Ich fahre die nächste links und suche mir dort einen Parkplatz. Das dauert höchstens zehn Minuten, denn dort kenne ich einen Geheimtipp. Hoffentlich ist der wirklich noch frei. Dann komme ich wieder hierher, und wir beide fahren mit Ihrem Wagen auf die Fähre. Ich muss ja heute Abend noch zurück.«
»Wenn man mich bis dahin nicht umgebracht hat«, murmelte Matthias entsetzt.
»Ach was! Hier stehen alle in zweiter Spur. Da ist doch nichts dabei.«
Fröhlich winkend stieg er wieder in sein Auto und brauste davon.
Matthias schwitzte Blut und Wasser, als sich der Verkehr in den folgenden quälend langen Minuten an ihm vorbeiwälzte. Er hatte die Warnblinkanlage eingeschaltet und hob ab und zu verzweifelt die Hände, als hätte er eine Panne und würde auf den italienischen Automobilclub warten. Am liebsten hätte er die Motorhaube aufgeklappt, dann wäre die Panne noch glaubhafter erschienen, aber er hatte keine Ahnung, wo der Hebel war, mit dem man die Klappe aufmachen konnte.
Die Minuten krochen dahin.
Schließlich tauchte Kai etliche Querstraßen weiter wieder auf und lief leichtfüßig auf Matthias’ Porsche zu.
»Alles klar«, sagte er, als er sich auf den Beifahrersitz fallen ließ. »Fahren Sie dort hinten bei dem gelben Schild rechts, und halten Sie an der weißen Baracke. Wir müssen noch Tickets kaufen, und dann ab auf die Fähre. Sie geht in fünfzehn Minuten.«
Was für ein Wahnsinn, dachte Matthias. Er hielt bei dem Ticketschalter, machte aber nicht die geringsten Anstalten auszusteigen. Schließlich war es Kais Idee gewesen, auf die Insel zu fahren, dann sollte er sich auch um die Fahrkarten kümmern. Kai warf ihm einen verständnislosen Blick zu, sprang aus dem Wagen und löste ein Ticket für zwei Personen und ein Kraftfahrzeug.
In diesem Moment fuhr die Fähre in den Hafen und legte direkt vor ihnen an der Kaimauer an. Ein Ungetüm, das zwischen den Jachten jede Dimension sprengte. Nur Augenblicke später ließ die Fähre die Heckklappe herunter und spuckte Liefer-, Last- und Privatwagen, Motorräder und Heerscharen von Fußgängern aus.
Matthias’ Oberschenkelmuskel zuckte unkontrolliert,
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