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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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sich auch sämtliche Fußgänger, die auf der Fähre gewesen waren, durch dieses Nadelöhr bewegen mussten. Matthias brach der Schweiß aus, und in diesem Moment wünschte er sich, seinen pompösen Schlitten mit einem kleinen Fiat tauschen zu können.
    »Hier können Sie parken«, sagte Kai endlich und wies auf ein verwildertes Privatgrundstück. »Stellen Sie sich einfach unter den Nussbaum, ich stehe immer hier, und es ist noch nie was passiert. Ich glaube, hier wohnt gar keiner mehr, oder die Leute sind nur ganz selten da.«
    »Bei meinem Glück gibt es garantiert Ärger.«
    »Ach was. Wir probieren es einfach. Wir können ja nicht bis Giglio Castello rauffahren und dann zwei Stunden wieder runterlaufen. Parkplätze sind auf dieser Insel ein riesiges Problem. Aber machen Sie sich mal keine Sorgen.«
    Natürlich machte sich Matthias Sorgen, und er wusste, dass er in der Wohnung oder beim Essen am Hafen keine ruhige Minute haben würde, wenn er seinen Wagen nicht auf einem offiziellen Parkplatz wusste. Sowie Kai die Insel verlassen hatte, würde er einen anderen Parkplatz suchen, auch wenn er stundenlang zurücklaufen musste.
    Sie gingen zurück zum Hafen. Als sie auf die Promenade einbogen, blieb Kai bereits wenige Schritte weiter vor einem hellgrün gestrichenen Haus stehen, das im ersten Stock vor einem der zwei Fenster einen kleinen Balkon mit schmiedeeisernem Geländer hatte.
    »Hier ist es«, sagte er und grinste. »Wenn Sie morgens auf den Balkon treten, liegt Ihnen der Hafen zu Füßen.«
    »Das ist ja wirklich ganz entzückend«, meinte Matthias und schob seine Sonnenbrille über die Stirn in die Haare, obwohl ihn das gleißend helle Sonnenlicht blendete.

29
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    Kais Freund hieß Mauro und saß nur ein Haus weiter in einem Büro. Er war ein stämmiger Mann Anfang vierzig, hatte kurz geschnittene, schwarze Haare, einen dichten Bart und dunkle Augen. Nur um die Augen herum leuchtete ein wenig helle Haut, der übrige Körper, jedenfalls so viel davon zu sehen war, war dunkel behaart. Sein schwarzes Fell quoll aus dem Hemdkragen und wucherte über den Hals bis zum Kinn, bedeckte die Unterarme und sogar die Handrücken.
    Matthias hatte das Gefühl, würgen zu müssen, als der Behaarte ihm zur Begrüßung die Hand gab. Er ekelte sich so furchtbar, dass ihm die Luft wegblieb, und er glaubte, sich nicht auf den Beinen halten zu können.
    Das ist ja widerlich, dachte er, der Mann ist kein Mensch, sondern ein Affe, ein Yeti. Morgens braucht er wahrscheinlich Stunden, um sich am ganzen Körper trocken zu föhnen.
    Der Yeti lächelte freundlich. »Piacere, ich freue mich, Sie kennenzulernen«, sagte er. »Haben Sie denn die Wohnung schon gesehen?«
    »Nein«, antwortete Kai für Matthias, »ich hab doch keinen Schlüssel, Mauro!«
    »Ach, dann hab ich dir noch keinen gegeben. Kann sein. Also dann gehen wir mal rüber.«
    Matthias folgte dem Yeti, und auf der schmalen Treppe nach unten stieg ihm der Geruch von dessen Aftershave in die Nase. Nussig-süßlich, fast ein wenig holzig und dumpf.
    Er schüttelte sich angewidert und dachte gleichzeitig, du bist vor mir sicher. Nicht einmal mit der Kneifzange würde ich dich anfassen.
    Aber von der Wohnung war er so angetan, dass es ihm sogar gelang, den Gedanken, dass der Yeti schon einmal in dem Doppelbett geschlafen haben könnte, zu verdrängen. Von der Wohnküche hatte man einen direkten Zugang zum Balkon, zu einem kleinen Schlafzimmer und einem winzigen Bad. Nur wenige Meter unter dem Balkon pulsierte das Leben. Man hatte Blick auf die Hafenpromenade, eine Bar, die ihre Korbstühle direkt bis ans Wasser gestellt hatte, und die dümpelnden Boote. Er liebte das ständige Geräusch der Schäkel, die an das Metall der Masten schlugen.
    Ein perfekter Ort, um allein und doch nicht allein zu sein, um auf einer Insel dem alltäglichen Leben zu entfliehen und zu verschwinden.
    Kai beobachtete Matthias, wie er jede Schublade aufzog, in jeden Schrank schaute und das heiße Wasser in der Dusche ausprobierte.
    Schließlich wandte er sich dem Yeti zu. Seine Augen strahl ten. »Ich würde die Wohnung sehr gern nehmen, sie ist fantas tisch. So schön habe ich sie mir nicht vorgestellt. Geht es in Ordnung, wenn ich zwei Wochen bleibe? Ich zahle im Voraus.«
    Der Yeti nickte. »Geht in Ordnung. Dann bekomme ich zwei-acht von Ihnen. Die Woche eintausendvierhundert.«
    Matthias schluckte. Mit so viel hatte er nicht gerechnet, aber wahrscheinlich hatte die sensationelle Hafenlage ihren

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