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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Aspirin und drei Cappuccini noch zu schaffen machte. Vielleicht das Geheimnis seines Erfolgs. Denn auch in seinem Alter war er ein attraktiver Mann mit grauen Schläfen und beneidenswerten Lachfältchen im Gesicht. Er war stets leicht gebräunt, was ihm ein gesundes Aussehen verlieh, aber eher auf eine günstige Genkonstellation als auf einen soliden Lebenswandel zurückzuführen war. Mit seiner Größe von einem Meter siebenundachtzig überragte er die meisten Italiener um Haupteslänge, daher wurde man auch leicht auf ihn aufmerksam und übersah ihn nicht, wenn er einen Laden, eine Arztpraxis oder eine Hotelrezeption betrat.
    Kai Gregori war eine Erscheinung, er wusste es, aber er nutzte es nicht aus. Man konnte ihm vieles nachsagen, aber arrogant war er nicht.
    Sein Leben lang hatte er darauf gewartet, mit gesetzterem Alter auch solide oder zumindest beziehungsfähig zu werden, aber das war ihm bisher nicht gelungen. Sein Liebesleben gestaltete sich nach wie vor extrem abwechslungsreich, und die Damen, die er beglückte, wechselte er in der Regel häufiger als die zerknitterten Leinenanzüge, die er stets ohne Krawatte und offen trug und in denen er nicht arbeitete, sondern wohnte.
    Die Maklerfirma, für die er tätig war, hatte Dependancen in aller Welt, er leitete das Büro in Siena. Seine Mitarbeiter wechselten häufig, bis auf Monica, die ihm bereits seit sieben Jahren morgens seinen Kaffee brachte, schnippische bis freche Bemerkungen machte, seine Termine koordinierte und Interessenten vertröstete, wenn Kai noch seinen Rausch ausschlief. Sie war ein Fels in der Brandung, hielt den Laden aufrecht und war die Einzige in seinem Umfeld, die er noch nicht flachgelegt hatte. Vielleicht war dies der Grund, dass es für sie bisher noch keinen Anlass gegeben hatte, ihren schwierigen und bisweilen mehr als anstrengenden Arbeitgeber zu wechseln.
    »Er ist schon da!«, zischte Monica vorwurfsvoll, als Kai um zehn nach elf betont lässig zur Tür hereinschlenderte.
    »Ja, na und? Ich bin auch da. Hat er was gesagt?«
    Monica versuchte verächtlich zu kieksen, was sich aber wie ein Schluckauf anhörte, und Kai grinste.
    »Mach uns zwei Kaffee, bitte.«
    »Er hat schon einen gehabt.«
    »Egal. Mach uns trotzdem zwei. Wenn es ihm zu viel ist, kann er ihn ja heimlich in den Geranientopf kippen.«
    Zum ersten Mal an diesem Morgen lächelte Monica.
    Drei Kaffee, eine Flasche Mineralwasser, zehn Kekse und anderthalb Stunden später legte Kai lächelnd seinen Kugelschreiber aus der Hand.
    Der Maklerkollege, der da vor ihm saß, war eindeutig vom anderen Ufer, und er gab sich wenig Mühe, das zu verbergen. Was Kai wunderte, denn normalerweise legten Makler Wert darauf, so distinguiert und gesellschaftlich korrekt wie möglich zu erscheinen. Vielleicht lag es auch einfach nur daran, dass Matthias von Steinfeld hier in Italien keinen Kunden von einer Immobilie überzeugen musste, sondern in eigener Sache unterwegs war.
    »Okay«, sagte Kai. »Ich würde vorschlagen, wir stürzen uns direkt ins Geschehen und lassen die Spielchen. Sie kennen die Tricks genauso gut wie ich, und sie kosten uns nur Zeit. Ich könnte Ihnen also ein paar Objekte zeigen, um Sie heißzumachen, obwohl ich weiß, dass sie nicht optimal sind, und dann ziehe ich den Trumpf aus dem Ärmel, von dem ich weiß, dass Sie darauf fliegen. Ich nehme an, Sie machen es in Berlin genauso, aber wir brauchen uns nichts vorzuspielen. Sparen wir uns die Vorspeise, und gehen wir direkt in medias res.«
    »Einverstanden«, sagte Matthias amüsiert.
    »Dann fahre ich Sie jetzt zu einer Immobilie, von der ich glaube, dass sie für Sie genau die richtige ist. Nach allem, was Sie mir über Ihre Wünsche und Vorstellungen gesagt haben, gehe ich fast davon aus, dass dieses Objekt das einzige ist.«
    »Sie machen mich neugierig.« Matthias stand auf und strich seine Hose glatt. Dieser ehrliche, dynamische Makler, der es sicher faustdick hinter den Ohren hatte, gefiel ihm.
    Auf der Fahrt durch die Crete unterhielten sie sich über durchgeknallte Kunden mit aberwitzigen Vorstellungen, über einige, die sie wochenlang auf Trab gehalten und die dann letztlich doch nichts gekauft hatten, oder über Traumtänzer, die bei der Anfahrt zu einer Immobilie bereits »Kauf ich!« sagten und von ihrem übereilten Entschluss auch nicht mehr abzubringen waren.
    Nach einer knappen Stunde erreichten sie San Gusmè. Sie umrundeten die Stadtmauer und bogen dann auf die Schotterstraße ab, vorbei an Villa

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