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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Busen vermuten ließ. Die Haut war zart und makellos, die Nase gerade und schmal und die Wimpern dicht. Die Haare waren zentimeterkurz geschnitten und unterstrichen das prägnante, aber dennoch sanfte Profil. Die Stimme war melodiös, weich und hell.
    Matthias konnte sich keinen Reim darauf machen und ebenso wenig aufhören, die Person anzustarren.
    Er bestellte sich einen Aperitif, obwohl er das gewöhnlich nie tat, wenn er allein eine ganze Flasche Wein trank, aber er hatte vor, den ganzen Abend in diesem Restaurant zu verbringen. Wollte warten, bis sie fertig war. Wollte der letzte Gast sein und sehen, in welche Richtung sie verschwand.

30
    30
    Der nächste Morgen war klar und warm. Er hatte lange geschlafen, so traumlos und fest wie schon lange nicht mehr, und trat kurz nach zehn barfuß auf den Balkon. Die Hafengeräusche machten ihn neugierig.
    Die Luft roch nach Meer, und er atmete tief ein. Ein leiser Hauch von Salz und Fisch drang ihm in die Nase, und er wunderte sich, dass es ihm gefiel und sogar am Vormittag direkt nach dem Aufstehen keineswegs unangenehm war.
    In der Bar gegenüber stellte jemand krachend die Korbstühle auf, einige Fischer machten ihre Boote klar. Die Fähre nach Porto Santo Stefano fuhr gerade hinaus aufs Meer, der Wagen der Carabinieri stand auf der Mole, und zwei Polizisten rauchten gelangweilt eine Zigarette. Ein Mann suchte seinen Hund, der immer wieder zwischen den riesigen Steinen der Hafenbefestigung verschwand, eine alte Frau kaufte Gemüse fürs Mittagessen.
    Drei Touristinnen schlenderten gelangweilt in Miniröcken, knappen Tops und Flipflops die Hafenpromenade auf und ab, da in den Bars noch gähnende Leere herrschte.
    Matthias lächelte. Was für ein Morgen. Was für eine Insel. Was für eine märchenhafte Hafenstadt. Er zweifelte nicht daran, sich hier in den nächsten zwei Wochen wohlfühlen zu können, und musste wieder an den kleinen Kellner denken, der gestern Nacht um halb zwei das Restaurant verlassen hatte.
    »Buonanotte, Adriano«, hatte der Chef gesagt, als er ihn verabschiedete. »A domani.«
    Adriano. Also war er ein Knabe. Aber vielleicht war er ja früher einmal Adriana gewesen.
    Leichtfüßig war der Kellner aus dem Lokal gekommen, hatte sich flüchtig umgesehen, war am Ende der Promenade rechts abgebogen und hatte dann den Weg bergauf in die Altstadt gewählt.
    Matthias war ihm nicht mehr gefolgt. Er wollte nichts überstürzen, wollte sich nicht auffällig verhalten und ihm auf keinen Fall auf die Nerven gehen.
    Schließlich hatte er alle Zeit der Welt. Und er war davon überzeugt, in spätestens drei Tagen am Ziel zu sein.
    Matthias trudelte durch den Tag. Er kaufte sich ein paar Kleinigkeiten wie Erdnüsse, Thunfisch und Knäckebrot im Alimentari-Laden, einen Sonnenhut im Andenkengeschäft, obwohl er es eigentlich entsetzlich entwürdigend fand, Geschäfte zu betreten, die mit aufgeblasenen Delfinen, Sonnenöl, Seesternen und Badelatschen ihre Kunden lockten. Überhaupt war das Angebot, das man auf Giglio kaufen konnte, nicht nur mager, sondern eine Katastrophe. Geschmacklosigkeiten in Andenkenläden, Grundnahrungsmittel, Coca-Cola und die Bild-Zeitung. Ende. Matthias fragte sich, wie man es auf Giglio schaffte, eine Wohnung einzurichten oder Kleidung zu besorgen, wenn man für jede Kleinigkeit des täglichen Lebens aufs Festland fahren musste.
    Er schlenderte die Hafenpromenade entlang, und die Schlagzeile der aktuellsten Bild-Zeitung sprang ihm regelrecht in die Augen: Ist schwuler Sex-Mörder asozial? Matthias erstarrte. Er ging näher an den Zeitungsständer heran und las die ersten zwei Zeilen, die auf der ersten Seite unter der Schlagzeile standen: Die Morde an dem Informatikstudenten Jochen U. (22) und dem Arbeitslosen Manfred S. (17) erschüttern Berlin. Beide kommen aus der homosexuellen Szene …
    Matthias las nicht weiter, sondern ging ins Geschäft und kaufte die Zeitung. Außerdem Ansichtskarten, Briefumschläge und die passenden Briefmarken, weil er Lust hatte, seiner Mutter eine Karte in die Klinik zu schicken, die sie ihr übers Bett oder an den Nachttisch kleben konnten. Oder auch an Alex, obwohl er wahrscheinlich die Karte gelangweilt auf den Boden segeln lassen und dann die nächsten Monate darauf rumtrampeln würde.
    Obwohl er es kaum aushielt und den Artikel in der Bild-Zeitung sofort lesen wollte, trank er noch zwei Espressi in der Bar und schielte zum Restaurant, ob sich schon irgendjemand blicken ließ, aber die Tür blieb

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