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Nachtruf (German Edition)

Nachtruf (German Edition)

Titel: Nachtruf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leslie Tentler
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kleine Tastatur neben der Eingangstür deaktivierte er die Alarmanlage. Draußen begann die Sonne, ihre Bahn zu ziehen, und strahlte über die Dächer der Häuser auf der anderen Straßenseite. Aus einem Nachbargarten wehte der Duft von Gardenien herüber.
    „Ich mache Yoga in einem Studio“, bemerkte Rain. „In einem klimatisierten Studio.“
    „Gegen ein bisschen Crosstraining ist nichts einzuwenden.“
    „Ich erwarte einen großen Donut zu meinem Kaffee.“ Sie unterdrückte ein Gähnen. Trevor stützte sich auf der schmiedeeisernen Brüstung der Veranda ab und warf Rain einen verstohlenen Blick zu, ehe er den Kopf senkte und begann, seine Waden zu dehnen.
    „Sicher. Aber der kostet dich dann einen Extrakilometer.“
    Die rötlich braunen Blätter eines japanischen Ahorns verbargen den rostigen Chevrolet, der am Ende der Straße stand. Zu dieser Tageszeit war es im Marigny-Viertel ruhig und beschaulich. James Rivette saß auf dem Fahrersitz und starrte auf das Cottage im Kolonialstil. Abwesend griff er nach dem Pappbecher mit Kaffee. Das heiße Getränk hatte er mit dem Whiskey versetzt, den er im Handschuhfach aufbewahrte.
    Früher einmal war das Haus dort sein Zuhause gewesen. Er hatte die Anzahlung geleistet und die monatliche Hypothek bezahlt. Wie viele Jahre er das Monat für Monat getan hatte, wollte er gar nicht mehr wissen. James nahm einen großen Schluck von seinem Kaffee. Er hatte das Haus bei der Scheidung verloren. Heutzutage war es kaum wiederzuerkennen – gestrichen in einer furchtbaren Farbe, irgendwo zwischen einem tuntigen Pink und einem Veilchenblau.
    Er kurbelte das Fenster herunter und ließ die warme Morgenluftin das muffige Wageninnere. Der Duft von Schinken mit Eiern wehte aus einem der hell getünchten Häuser zu ihm herüber. Sein Magen fing an, laut zu knurren. Einige Sekunden lang überlegte er, ob er zum nächsten Diner fahren sollte. Doch dann dachte er an das Geld, das er erhalten hatte, und beschloss, an Ort und Stelle zu bleiben.
    James saß da, bis der Kaffee ausgetrunken war und er mit der Whiskeyflasche vorliebnehmen musste. Eines war sicher: Wer auch immer sein mysteriöser Gönner war, Trevor war dieses Mal ganz klar dem Falschen auf den Schlips getreten.
    Er seufzte. In letzter Zeit neigte er dazu, viel zu viel zu grübeln. Aus irgendeinem Grund tauchte jetzt der kalte, regnerische Tag von Sarahs Beerdigung in seiner Erinnerung auf. Er hatte seinen ältesten Sohn damals schon seit Jahren nicht mehr gesehen, aber er hatte ihn unter den Trauergästen sofort wiedererkannt. Trevor hatte dagestanden, den Arm um die weinende Annabelle gelegt. Unter dem Schirmdach von Mercier Brothers Funeral Home , das neben der Gruft ihrer Mutter aufgestellt worden war. Mit traurigem Gesicht und sehr gut aussehend in dem schwarzen Anzug und dem Trenchcoat, hatte Trevor kurz zu ihm herübergesehen. Dann hatte er sich kalt abgewendet und über die Grabstätten und Statuen hinweggestarrt, als ob sein Vater gar nicht da gewesen wäre. Ausgestoßen hatte James am Rande der Trauergemeinde ausgeharrt, während der Regen an ihm hinuntergetropft war wie an einem streunenden Hund.
    Später an dem Tag war er Trevor in demselben abgetakelten Chevy, in dem er gerade saß, zum Louis Armstrong Airport gefolgt. Der selbstgefällige Herr FBI-Agent hatte nicht einmal gemerkt, dass er verfolgt worden war. James hatte kurz mit dem Gedanken gespielt, seinen Sohn zur Rede zu stellen und ihn daran zu erinnern, wer der bessere Sheriff war. Doch stattdessen war er in einer Flughafenbar gelandet und hatte sich betrunken. Er nahm noch einen Schluck aus der Flasche, drehte sie auf den Kopf und saugte auch den letzten Tropfen Whiskey heraus.
    Wer war er denn, jemanden davon abzuhalten, Trevor einen Dämpfer zu verpassen?
    Der Fremde war gut gekleidet gewesen und hatte makellose Manieren gehabt. Ohne Zweifel hatte er Geld und Privilegien besessen. Aber trotz der schicken dunklen Sonnenbrille hatte ihn eine Aura umgeben, die James unwillkürlich an die Zeit erinnert hatte, als er für das NOPD in den rauen Straßen von Storyville und Treme unterwegs gewesen war. Die Kriminellen dort hatten dasselbe hinterhältige Lächeln im Gesicht gehabt. Es hatte nur schlecht ihr angeborenes Verlangen verborgen, jemandem das Herz herauszuschneiden, sobald der ihnen den Rücken zudrehte. Sein Bauchgefühl sagte James, dass der Fremde jemand war, dem er besser nicht in die Quere kam.
    Außerdem war ein Deal ein Deal. Sie hatten sich

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