Nachtruf (German Edition)
fliehen. Ich will nicht, dass Haley dazwischengerät. Ich werde die Polizei von unterwegs aus anrufen und ihnen sagen, sie sollen den Park umstellen, sich aber nicht weiter nähern.“
Trevor drehte sich um und sah Rain an, die neben Alex stand.
„Geh mit deiner Familie“, sagte sie sanft. „Du musst nicht bei mir bleiben. Außerdem könnte eine Fremde ihn aufregen.“
Er zögerte. „Wenn ich die Polizei anrufe, werde ich darum bitten, dass der Officer, der vorhin hier war, umkehrt und zurückkommt. Es sollte nicht länger als fünf Minuten dauern. Bis dahin …“
Alex ergriff das Wort. „Ich bleibe bei ihr. Uns wird schon nichts passieren.“
Rain und Alex sahen von der Veranda aus zu, wie die drei Geschwister in Brians Audi stiegen. Trevors ramponierten Mietwagen ließen sie stehen. Die Türen fielen geräuschvoll zu, und Brian startete den Motor. Der Wagen bog auf die Straße und verschwand.
„Jesus, Maria und Josef“, murmelte Alex und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Ist das zu glauben?“
„Unglücklicherweise, ja.“ Rain dachte an das, was sie über die gewalttätige, tragische Vergangenheit dieser Familie erfahren hatte. Die Geheimnisse kamen nach und nach zum Vorschein, und sie dankte Gott, dass Trevor seinem Vater zumindest nicht allein gegenübertrat. Er brauchte Brian und Annabelle, damit sie ihm Halt gaben und verhinderten, dass er die Kontrolle über sich verlor.
Beunruhigt seufzte sie. Ihr fiel ein, dass Trevor gesagt hatte, sein Vater wäre betrunken. Der Mann hatte Haley in ein Auto gesetzt und war ohne Rücksicht auf die Gefahr, der er das Kind aussetzte, mit der Kleinen davongefahren.
„Vielleicht sollten wir zurück ins Haus gehen, bis die Polizei da ist“, schlug Alex vor. Sie folgte ihm hinein und verschlossdie Tür hinter ihnen. Als sie in die zweckmäßig eingerichtete kleine Küche gingen, hatte Rain sich mit der Tatsache abgefunden, dass sie geduldig würde warten müssen, wie sich die Ereignisse im Stadtpark entwickelten. In der Zwischenzeit konnte sie noch einmal versuchen, Oliver zu erreichen. Bislang hatte er keine ihrer Nachrichten beantwortet.
„Wir könnten Kaffee trinken“, sagte Rain, während sie in ihrer Tasche nach dem Handy suchte. Die Kaffeemaschine auf der Anrichte enthielt noch eine Kanne voll mit dem dunklen Gebräu. Nicht dass ihre Nerven noch einen zusätzlichen Schuss Koffein gebraucht hätten, doch so verging die Zeit schneller.
„Bloß keinen Kaffee.“ Alex öffnete eine der Schranktüren und betrachtete die Konserven und anderen Nahrungsmittel. Angespannt lächelte er Rain zu. „Ich fühle mich total beschissen, Süße. Wo, glaubst du, hat Annabelle den Bourbon versteckt?“
38. KAPITEL
Die mächtigen Virginia-Eichen im Stadtpark boten einen angenehmen Schutz gegen die Sonne, aber die Luft an diesem Vormittag war schon jetzt schwül und drückend. Trevor klebte das T-Shirt auf der Haut, als er den Kinderspielplatz nach seinem Vater absuchte.
Wie er es gesagt hatte, hockte James auf einer schmiedeeisernen Bank gegenüber des altertümlichen Karussells. Haley saß neben ihm. Sie trug noch immer ihren gestreiften Schlafanzug und ließ zufrieden ihre Füße in den kleinen Mokassins baumeln. In der Hand hielt sie eine große pinkfarbene Zuckerwatte, an der sie vergnügt knabberte. Gefühlvolle Dampforgelmusik von einem Straßenmusikanten klang durch die tief hängenden Äste der Eichen.
„Dieser Scheißkerl“, schäumte Trevor. Annabelle griff nach seiner Hand.
„Mach der Kleinen keine Angst“, sagte Brian. „Sie begreift ja nicht, was los ist.“
Als die drei sich der Bank näherten, rief Haley nach ihnen und kletterte von ihrem Platz. Sie rannte auf Annabelle zu, die das Kind hochhob und fest in ihre Arme schloss.
„Haley, du weißt doch, dass du nicht zu Fremden ins Auto steigen sollst.“ Annabelle funkelte ihren Vater wütend an, während sie die klebrige Zuckerwatte aus Haleys Gesicht wischte.
„Aber er ist doch gar kein Fremder!“ Haley winkte James zu, der daraufhin zurückwinkte. „Der Mann, der zu uns nach Hause gekommen ist, Mommy? Das ist mein Großvater! Er hat es gesagt!“
„Wurde höchste Zeit, dass ich mein Enkelkind mal kennenlerne.“ James stützte die Hände auf die Knie und zwinkerte Haley verschwörerisch zu. „Stimmt’s, Schätzchen?“
„Anna, nimm Haley mit, und wasch ihr das Gesicht“, knurrte Trevor.
Annabelle setzte Haley auf den Boden und nahm sie bei derHand. „Komm, wir gehen zur
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