Nachtruf (German Edition)
auf. Sie berührte die zarte, weiche Stelle an der Schulter neben ihrem Schlüsselbein. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als sie ein Brennen verspürte. Die Schnittwunde blutete immer noch.
„Was haben Sie mir angetan?“, fragte sie heiser.
„Die Klinge war steril. Dein Infektionsrisiko ist verschwindend gering.“
Sie wich einen Schritt zurück, als sie erkannte, was Carteris in seiner Hand hielt. Er spielte mit einer Kette mit schwarzen Gebetsperlen und wand sie um sein Handgelenk, während er sprach.
„Ich habe dich beim Schlafen beobachtet.“ Er erhob sich vom Sofa.
Unvermittelt stieß sie mit den Waden an den Couchtisch und wäre beinahe gestürzt. Sie war kurz davor, hysterisch zu werden. „Wenn Sie noch einen Schritt näher kommen, schwöre ich, werde ich …“
Carteris wollte nach ihr greifen. Plötzlich hielt er mitten in der Bewegung inne. Er erstarrte und hob eine Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. „Still! Hörst du das? Ich glaube, unser Gast ist angekommen.“
Kein Geräusch war zu vernehmen. Sogar der Regen hatte aufgehört. Die Stille hallte im Zimmer wider wie der Klang einer Totenglocke. Wenn Trevor irgendwo da draußen war, musste sie ihn warnen.
Sie schrie seinen Namen, doch Carteris war sofort bei ihr und legte ihr die Hand auf den Mund. Sie kratzte an seinen Fingern, als er sie mit sich zu dem Waffenschrank aus Metall zerrte. Die Tür stand bereits offen. Carteris holte eine große Pistole heraus.
„Halt den Mund, oder das Ganze ist auf der Stelle vorbei.“ Er lockerte seinen Griff über ihrem schmerzenden Mund und drückte den Pistolenlauf in ihre Seite. Rain dicht an sich gedrückt, ging er durch das Zimmer hinaus auf die Veranda. „Ich weiß, dass Sie da draußen sind, Agent Rivette!“, rief er. Wie einen menschlichen Schutzschild hielt er Rain vor seine Brust. „Kommen Sie raus!“
Ihre Knie gaben beinahe nach, als eine einsame Gestalt aus dem Gebüsch am Rande der Lichtung trat. Die marineblaue Windjacke war in der Dunkelheit kaum auszumachen, wenn da nicht das goldene FBI-Emblem auf der Vorderseite gewesen wäre.
„Lassen Sie die Waffe fallen“, befahl Carteris.
Nein, Trevor. Rain schüttelte den Kopf, versuchte, ihm eine stumme Bitte zu übermitteln. Er sollte sich weigern. Aber er legte seine Waffe ins tiefe Gras.
„Schieben Sie sie in die Büsche!“
Trevor befolgte den Befehl, hob die Hände und kam vorsichtig näher. „Ich bin hier, um mit Ihnen zu reden, Carteris. Ich bin allein. So wie Sie es wollten.“
Wortlos hob Carteris die Pistole und drückte ab. Rain schrie auf, als Trevor auf die nasse Erde sackte.
45. KAPITEL
„Entspann dich“, schimpfte Carteris, als Rain sich in seinen Armen wand. „Er trägt eine kugelsichere Weste. Glaubst du mir nicht? Geh hin, und sieh selbst nach.“
Er ließ sie los. Rain rannte die Stufen hinab und fiel neben Trevor auf die Knie. Immer wieder sagte sie seinen Namen und tastete unter der Windjacke nach der gepolsterten Weste. Zu ihrer Erleichterung bewegte er sich plötzlich und öffnete die Augen. Er wirkte benommen. Sie riss die Jacke auf und sah, wo die Kugel eingeschlagen war.
„Siehst du? Kevlar , Standardausführung.“ Carteris lief durch das Gras und stand auf einmal über sie gebeugt hinter ihr. „Völlig vorhersehbar.“
Sie schob die Hand unter die Weste und befühlte den trockenen Stoff von Trevors T-Shirt. Kein Blut. Trotzdem hatte sie von Polizisten gehört, die von dem Aufprall der Kugel schwer verletzt worden waren, obwohl sie nicht in den Körper eingedrungen war.
„Nett von Ihnen, uns Gesellschaft zu leisten, Agent Rivette.“ Carteris gab ihnen mit der Waffe ein Zeichen. „Stehen Sie jetzt auf. Und dann ins Haus, alle beide!“
Trevor verzog das Gesicht und kam langsam zum Sitzen. Rain half ihm auf die Füße. Als sie mit ihrem Kidnapper im Rücken die Stufen zur Veranda hinaufstiegen, fiel ihr auf, wie schwer Trevor sich auf das Treppengeländer stützte. Ihre Hoffnung schwand. Hier allein aufzutauchen war ein Himmelfahrtskommando. Er musste das wissen.
Als sie die Tür erreichten, versetzte Carteris ihm einen Stoß. Rain schnappte nach Luft, als Trevor sich umdrehte und in die Mündung von Carteris’ Pistole blickte.
„Ich bin hier, um zu verhandeln. Ich bin Ihren Anweisungen gefolgt …“
„Es wird Verhandlungen geben“, bemerkte Carteris. „Nur nicht zwischen Ihnen und mir. Zum Bücherregal, weg von der Tür!“
Während sie sich zum Bücherregal bewegten, ging der
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