Nachtruf (German Edition)
sich schmerzhaft tief in ihre Kehle. Carteris’ genussvolles Knurren hallte durch den Raum, während er speiste.
Reglos lag sie da und spürte, wie das Leben aus ihr wich. Warmes, klebriges Blut lief ihr über Hals und Brust, sickerte in die Matratze unter ihr …
Sie schreckte hoch, als das Telefon läutete. Die zerwühlte Deckeum ihren Körper war schweißnass. Atemlos und unsicher meldete sie sich.
„Rain?“ Annabelle war am anderen Ende der Leitung. Der Wecker auf dem Nachttisch zeigte kurz vor drei Uhr nachmittags. Der Eisbeutel, den sie sich aus der Küche mitgenommen hatte, war neben ihr auf dem Bett geschmolzen, und sie lag auf einem feuchten Fleck.
„Ich habe verschlafen“, sagte Rain und verspürte plötzlich einen Anflug von Panik. „Was ist passiert?“
„Er ist wach.“ Annabelles Stimme zitterte. „Er hat versucht, sich den Beatmungsschlauch aus dem Hals zu ziehen. Im Moment tun sie alles, um ihn zu beruhigen, aber nichts hilft.“
Rain rief sich ein Taxi und verließ das Haus.
Die Krankenschwester auf der Überwachungsstation rief hinter ihr her, doch Rain stürmte weiter, bis sie die Glastür zur Intensivstation erreichte. Zwei Pfleger kamen gerade aus Trevors Zimmer. Sie sog scharf die Luft ein, als sie feststellte, dass Trevors Handgelenke ans Bettgestell gebunden worden waren. Annabelle beugte sich über das Bett und sprach besänftigend auf ihn ein. Obwohl Trevor die Augen geschlossen hatte, quollen Tränen unter seinen dunklen Wimpern hervor. Auf seinem Gesicht spiegelte sich Angst.
„Trevor“, flüsterte Rain und kam näher.
Er schlug die Augen auf, und Rain lächelte ihn vorsichtig an. Seine Pupillen waren geweitet, verdeckten beinahe das stürmische Blaugrau der Iris. Sein Blick wirkte glasig und fiebrig.
Mit den Fingern fuhr sie durch sein verschwitztes Haar und sprach sanft weiter. „Ich weiß, du magst das Beatmungsgerät nicht, aber deine Lunge ist verletzt und braucht Zeit, um zu heilen. Das ist alles – ein winzig kleiner Riss in deiner Lunge. Alles andere ist bestens, ich schwöre es dir.“
Sie war sich nicht sicher, ob er sie verstanden hatte. Doch als sie ihre Finger in seine Hand schob, drückte Trevor sie so fest, als wäre sie seine Rettungsleine. Rain musste schlucken, um ihreTränen zu unterdrücken.
„Nur ein paar Tage, bis deine Lunge wieder kräftiger ist“, sprach Rain eindringlich weiter. „Ruh dich einfach aus. Lass die Maschine die Arbeit für dich machen.“
Sie streichelte weiter sein Haar, bis er die Augen wieder schloss. Das schnelle Piepen des Herzmonitors verlangsamte sich und wurde beständiger. Nach vielleicht einer Minute spürte sie, wie sich sein Griff um ihre Hand lockerte. Er war wieder eingeschlafen, aber sie wagte nicht, sich zu bewegen. Rain blickte zu Annabelle. Trevors Schwester stand am Fußende des Bettes und hatte die Arme um sich geschlungen.
„Sie haben ihm über den Infusionsschlauch ein Beruhigungsmittel gegeben. Allerdings hat es nicht richtig gewirkt“, sagte sie leise. „Sie verstehen nicht, warum das so ist. Die Ärzte wollen ihn wegen seines niedrigen Blutdrucks nicht noch weiter ruhigstellen. Doch sie meinten auch, wenn es nötig wäre, würden sie ihn in ein künstliches Koma versetzen.“ Ihre Stimme brach bei den letzten Worten. „Ich weiß nicht, woher er die Kraft nimmt, zu kämpfen.“
„Er hat einen starken Willen“, flüsterte Rain.
„Wahrscheinlich erinnert er sich an das letzte Mal, als er an einem Beatmungsgerät aufgewacht ist, habe ich recht?“
Rain hoffte nur, dass Trevor sich nicht selbst verletzt hatte, als er versuchte, den Beatmungsschlauch herauszuziehen. Das chirurgische Klebeband, mit dem der Schlauch befestigt war, überdeckte die Narbe an Trevors Kinn. Kriegsverletzungen. Er hat genug davon für ein ganzes Leben. Selbst in seinem geschwächten Zustand war es möglich, dass er einen Flashback hatte und ihm das Erwachen aus dem Koma, das er vor vielen Jahren erlebt hatte, wieder vor Augen stand. Rain dachte an die Schwierigkeiten, die Trevor damals durchgestanden hatte, um seine Kraft und seine sprachliche Ausdrucksfähigkeit wiederzuerlangen. Was, wenn er befürchtete, ihm wäre dasselbe noch einmal zugestoßen?
Annabelle musste ihre Gedanken erraten haben, denn sie fügtehinzu: „Ich glaube, mein Anblick bringt ihn durcheinander.“
„Er ist verwirrt. Er weiß nicht, was mit ihm geschieht“, beschwichtigte Rain sie. Aber in diesem Augenblick schienen Annabelle der Mut und
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