Nachtruf (German Edition)
Hörer zwischen Ohr und Schulter zu klemmen.
„Hier ist Trevor Rivette. Können wir uns einen Augenblick unterhalten?“
Sie hörte auf zu tippen und warf einen Blick auf die Uhr auf dem Bildschirm. „Ich erwarte in fünfzehn Minuten einen Patienten …“
„Es wird nicht lange dauern. Letzte Nacht wurde ein weiteres Mädchen ermordet. Der Leichnam wurde nur ein paar Blocks vom Synapse entfernt gefunden.“
Rain setzte die Brille ab, die sie für die Computerarbeit benötigte, und legte sie auf den Schreibtisch. Für einen Moment war sie zu schockiert, um antworten zu können.
„Die Times-Picayune hat die Story heute Morgen in der Onlineausgabe gebracht. Mitsamt der möglichen Verbindung zu den Ermittlungen im Fall des Serienmörders“, fuhr er fort. „Wahrscheinlich wird die Nachricht es auch in die Abendausgabe schaffen. Ich wollte nicht, dass Sie davon überrascht werden.“
Sie nahm den angespannten Unterton in seiner Stimme wahr. Nachdem die Medien Wind von der Geschichte bekommen hatten, würde der Druck, einen Tatverdächtigen zu präsentieren, wahrscheinlich noch zunehmen.
„Was ist mit Midnight Confessions ?“
„Die Sendung wird im Moment noch nirgendwo erwähnt. Bislang hat noch kein Journalist einen Zusammenhang zwischen dem Anrufer in Ihrer Sendung und den Mordfällen hergestellt. Ich hoffe, dass das möglichst lange so bleibt.“ Trevor schwieg kurz, bevor er weitersprach. „Rain, ich möchte, dass Sie mich in einen Club begleiten.“
„Einen Club?“
„In einen Laden namens Ascension .“
Das Ascension lag an einem ziemlich heruntergekommenen Abschnitt der Claiborne Avenue in der Innenstadt. Die umfunktionierte Kathedrale eignete sich hervorragend für die dunkle Atmosphäre eines Gothic-Clubs, auch wenn die Tanzfläche genauso oft von erlebnishungrigen Touristen oder den Studenten der städtischen Universitäten bevölkert wurde. Doch der Club war berüchtigt für seine abgeschiedenen Räume – einschließlich des Kellers, in dem sich vorzugsweise tummelte, wer sich für einen echten Goth hielt.
„Ich kenne den Club“, sagte Rain leise.
„Das Opfer wurde bislang noch nicht identifiziert. Unsere einzige Spur ist ein Stempel auf der Hand, der von diesem Club stammt. Ich möchte den Laden gern überprüfen.“
Rain hatte den Stempel bei mehr als einem ihrer Patienten gesehen. „Man darf den Club besuchen, wenn man achtzehn ist. Aber sie verpassen allen Gästen unter einundzwanzig einen Stempel, damit sie keinen Alkohol kaufen können. Unglücklicherweise hält es die Kids nicht davon ab, die illegalen Drogen auszuprobieren, die dort herumgereicht werden.“
„Davon habe ich gehört“, antwortete Trevor. „Die Detectives von der Mordkommission, mit denen ich zusammenarbeite, haben das Clubmanagement schon befragt. Es gibt keine Sicherheits- oder Überwachungskameras. Wir haben eigentlich gehofft, das Mädchen auf einem der Überwachungsvideos zu finden, um zu sehen, mit wem es vielleicht geredet hat.“
Rain massierte sich die Schläfen, während sie ihm zuhörte. Sie war nicht überrascht, dass der Club bei den Sicherheitsmaßnahmen Mängel aufwies. „Trevor, was habe ich mit alldem zu tun?“
„Sie werden von diesen Leuten akzeptiert. Wenn ich mit Ihnen zusammen auftauche, komme ich glaubwürdiger rüber, als wenn ich allein hingehen und nach Informationen suchen würde.“ Er senkte die Stimme. „Es wären nur wir beide. Die NOPD-Detectives würden noch viel mehr herausstechen als ich, und dasselbe gilt für jeden Agent von der hiesigen FBI-Außendienststelle. Sie sagten, dass Sie helfen wollten, und ich weiß, dass Sie über Kontakte verfügen. Die muss ich nun nutzen.“
Rain stellte sich vor, wie Trevor mit seinem konservativen Haarschnitt und seinem Anzug die Dienstmarke zücken und versuchen würde, an einem Ort wie dem Ascension die Leute zur Mithilfe zu bewegen. Die Gothic-Szene war eine verschworene Gemeinschaft. Er hatte recht – ohne sie hatte er keine Chance. „Wann möchten Sie gehen?“
„Heute Abend. Gegen zehn Uhr. Ich hole Sie ab.“
Nachdem er das Gespräch beendet hatte, behielt Rain denHörer noch einen Augenblick lang in der Hand, bevor sie auflegte. Dann rief sie im Computer die Website der Times-Picayune auf. Die Nachricht vom zweiten Mord stand in der Schlagzeilenliste. Sie klickte den Link an, der sie zu dem kurzen Artikel führte.
Zweites Mordopfer entdeckt. Ist ein Serienkiller New Orleans’ neuester Tourist?
Heute am frühen
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