Nachtruf (German Edition)
Blut.“
Das Problem war nur, überlegte Trevor nach dem Telefonat, dass die meisten Leute von seiner New-Orleans-Herkunft gar nichts wussten. Faktisch stammte er aus Bethesda, Maryland – als Teenager war er aus einer Notlage heraus dorthin gezogen. Nur wenige Menschen außerhalb des engsten Familienkreises kannten Trevors wahre Vergangenheit. Sogar Nate hatte nur die nüchternen Fakten erfahren und nicht die ganze Geschichte.
Und so wollte Trevor es auch weiterhin halten.
Er hatte nur wenig Zeit, bevor er aufbrechen musste. Also holte er die Fotos heraus, die das Team von der Gerichtsmedizin heute Nachmittag gemacht hatte. Trevor blätterte durch die harten, steril wirkenden Aufnahmen. Er suchte eine, die er mit in den Club nehmen konnte, um das zweite Opfer identifizieren zu lassen.
Noch eine unbekannte Leiche. Die Ermittlungen im Vampir-Fall waren zwar ein Projekt der VCU, aber sie standen nicht sehr weit oben auf der Prioritätenliste der Abteilung. Ein Opfer in einer Stadt weckte nicht viel Aufmerksamkeit bei seinen Kollegen.
Trevor fragte sich, ob sich das jetzt ändern würde – vor allem, falls noch ein drittes Opfer in New Orleans auftauchen sollte.
Hoffentlich musste er das nicht herausfinden.
Rain hatte ihre Haare zurechtgemacht, sodass sie ihr glatt und glänzend über die Schultern hingen. Auch mit dem Make-up war sie großzügiger gewesen als sonst. Sie hatte ihre Augen mit Kajal und schwarzer Wimperntusche betont und den Mund in einem dunklen Rot geschminkt. Das tief ausgeschnittene schwarze Top, dessen Träger im Nacken zusammengebunden wurden, war nicht gerade Gothic-Stil, doch der Look war trotzdem effektvoll – das wusste sie. Als sie in den Spiegel blickte, war es ihr, als ob Desiree zurückschauen würde. Sie wirkte beherrscht, aber innerlich fühlte sie sich so zerbrechlich wie Glas.
Als es an der Tür klingelte, zuckte sie vor Schreck zusammen. Sie löschte die Kerze, die einen leichten Duft von Lavendel verströmte. Sie hatte sie in dem vergeblichen Versuch, ihre Nerven zu beruhigen, angezündet. Eilig lief sie die Treppe hinunter.
Trevor stand auf der Veranda. Sie öffnete ihm die Tür, und ihr Blick glitt unwillkürlich über seine Jeans und das dunkle T-Shirt. „Sie sehen aus wie ein Collegestudent.“
Er antwortete mit einem leichten Lächeln. „Wohl kaum. Das ist das Beste, was ich für den heutigen Abend finden konnte. Schwarzes Leder hat mein Kleiderschrank nicht zu bieten.“
„Wo ist Ihre Waffe?“
„In einem Holster am Fußgelenk. Das ist weniger auffällig.“
Als er ihr ins Wohnzimmer folgte, schoss Dahlia an ihnen vorbei die Treppe hinauf. Rain wollte eine Bemerkung über schwarze Katzen machen, die den Weg kreuzten, besann sich aber eines Besseren und schwieg. Sie stand neben Trevor, der zu dem eleganten Kronleuchter aus Kristall hinaufblickte. Sie hatte das Licht gedimmt, sodass der Raum nur schwach beleuchtet war.
„Ist das ein Originalstück?“
„Dieses Haus zu restaurieren war der Traum meiner Mutter“,erzählte Rain. „Als sie starb, hat meine Tante Celeste sich um die Renovierungsarbeiten gekümmert. Sie hat so viel von der ursprünglichen Ausstattung des Hauses bewahrt, wie möglich war. Das gilt auch für die Beleuchtung.“
Er nickte, und sie fragte sich, wie viel er bereits über das Haus und dessen dunkle Vergangenheit wusste. Wenn sie ihn richtig einschätzte, hatte Trevor im Hinblick auf Desiree, sie selbst und das Haus in der Prytania mit Sicherheit seine Hausaufgaben gemacht. Vermutlich hatte er die schrecklichen Details über den erweiterten Selbstmord ihrer Eltern gelesen und auch den dreißig Jahre alten Polizeibericht genau studiert.
„Es geschah im oberen Stock, im ersten Zimmer auf der rechten Seite“, sagte sie leise. „Für den Fall, dass Sie sich das gefragt haben.“
Er blickte sie an. „Das habe ich nicht.“
„Ich habe das nicht so gemeint“, erwiderte Rain zerknirscht. „Es ist nur, die Leute sind für gewöhnlich so neugierig …“
„Ihr Outfit heute Abend … Versuchen Sie, wie Ihre Mutter auszusehen?“, unterbrach er sie und sah sie aus seinen blaugrauen Augen unverwandt an. Rain starrte auf ihre Hände. Normalerweise benutzte sie keinen Nagellack, doch heute Abend hatte sie sie blutrot angemalt. Erst jetzt wurde ihr die Ironie bewusst.
„Ich dachte, ich könnte Ihnen helfen“, erklärte sie verlegen. „In dem Club, meine ich. Einige der Leute verehren Desiree.“
Trevor machte einen Schritt auf sie
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