Nachtruf (German Edition)
Fernsehen.“
Sein schwaches Lächeln erreichte seine Augen nicht. „Tja, ich habe gehofft, dass du die Chance bekommen würdest, meine öffentliche Demütigung mitzuerleben.“
Die Pressekonferenz an diesem Nachmittag war brutal gewesen. Die Medienvertreter hatten Trevor und die Chefs des örtlichen FBI und der Polizei mit Fragen gelöchert. Auch der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt Sawyer Compton hatte im Kreuzfeuer gestanden. Der Radioanrufer und der nachfolgende Überfall auf Rain waren im Fokus der Befragung gewesen. MitUnbehagen hatte Rain beobachtet, wie Trevor gezwungen gewesen war, einzugestehen, dass er keine brauchbaren Verdächtigen hatte – und das in einer Mordserie, die bereits sechs Frauen in mehreren Bundesstaaten das Leben gekostet hatte.
„Ich habe auch mit David gesprochen“, setzte Rain leise hinzu. „Er rief an, nachdem du den Sender verlassen hattest. Er wird Anzeige gegen dich erstatten. Wegen Körperverletzung.“
Das überraschte Trevor anscheinend nicht. „Lass ihn.“
Sie schob sich vom Schreibtisch weg. „Der Tag heute muss ein Albtraum für dich gewesen sein …“
„Wie konntest du jemals mit einem Mann wie D’Alba zusammen sein?“
Seine Frage war so direkt, dass sie unwillkürlich nach Luft schnappte. Tatsächlich konnte sie nicht erklären, warum David eine solche Anziehungskraft auf sie ausgeübt hatte – vor allem nicht, wenn man betrachtete, wie er sich derzeit verhielt.
„David ist in finanziellen Schwierigkeiten“, erklärte sie. „So, wie du ihn jetzt kennengelernt hast, ist er nicht immer. Er ist verzweifelt.“
Trevor ging zu dem alten Terrarium, das in einer Ecke von Rains Büro untergebracht war und in dem kleine Farne wuchsen. Nachdenklich glitt er mit den Fingern über das Glas. „Er hat Ella LaRue als neue Moderatorin von Midnight Confessions ins Spiel gebracht. Ihre erste Sendung ist heute Abend. Ella sagte, du wärst zu traumatisiert, um weiterzumachen.“
„Das wirft ein vollkommen falsches Licht auf die Sache“, überlegte Rain laut. „Ich habe mich geweigert, in den Sender zu kommen und Interviews mit den Medien zu führen. David hat mir ein Ultimatum gesetzt: entweder erscheinen oder ersetzt werden.“
Das musste sie ihm lassen. Wenn es David gelang, der Öffentlichkeit weiszumachen, sie hätte unter dem Druck der Ereignisse gekündigt, würde Ella in einem besseren Licht dastehen. Die Zuhörer wären viel geneigter, sie als neue Moderatorin zu akzeptieren. Das war angesichts der Tatsache, dass sie kurz davorwaren, die Sendung landesweit ausstrahlen zu können, ein riskanter Schachzug. Doch wenn Ella die Unterstützung der Zuhörer gewann, konnte das Scheitern des Deals noch verhindert werden – auch wenn Rain nicht dabei war. Vermutlich machte es nichts aus, dass Ella keine ausgebildete Psychologin war, solange sie das Interesse der Zuhörer wachhielt. Ihr Sex-Appeal würde David und der Sendung zweifellos einen marktfähigen Auftritt verleihen, wenn auch einen weniger kompetenten.
„Ich habe David schon erzählt, dass ich nicht vorhabe, meinen Vertrag zu erneuern, wenn er im September ausläuft. Ich hätte es natürlich besser gefunden, wenn mein Ausstieg weniger dramatisch gewesen wäre, aber …“
Sie ließ den Satz in der Luft hängen, verunsichert von der Art, wie Trevor sie musterte. In seinen Augen stand eine Frage, die über David und Ella und die Radiosendung hinausging. Sie hatte fast den ganzen Tag an Trevor gedacht, doch jetzt strich Rain nervös mit den Händen über ihren Baumwollrock. Sie fürchtete sich vor dem, was sie erwartete, seit Officer Arseneau ihn auf ein Wort in die Küche gebeten hatte.
„Erzählst du mir von dem Jungen, der hier heute eingebrochen ist? Laut Arseneau hat er versucht, deinen alten Zugangscode einzugeben, und hat dabei die Alarmanlage ausgelöst.“
Rain kam um den Schreibtisch herum. Sie knipste die Jugendstillampe von Tiffany an, die auf dem Tisch zwischen den zwei Sesseln stand, und seufzte. „Sein Name ist Oliver Carteris. Er ist einer meiner Patienten.“
„Er kannte den Code?“
Rain nickte. „Ja.“
„Als ich dich gestern Abend nach den Namen von all denjenigen gefragt habe, die Zugang zu deiner Wohnung haben, hast du diesen Jungen nicht erwähnt.“
„Ich habe dir seinen Namen nicht verraten, weil nicht er es war, der mich überfallen hat.“
„So geht das nicht“, versetzte Trevor. „Ich stelle dir eine Frage, und du gibst mir eine wahrheitsgemäße Antwort.
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