Nachtruf (German Edition)
verstand. Natürlich konnte Trevor nicht den ganzen Tag arbeiten und bis zum Morgengrauen bei ihr bleiben, um sie zu beschützen. Sie erwartete das auch nicht. Zumindest hatte er nicht das gesagt, wovor sie sich am meisten gefürchtet hatte: dass die letzte Nacht ein Fehler gewesen wäre.
„Ich dachte, wir könnten heute zusammen zu Abend essen“, schlug er vor. „Wollen wir uns etwas bestellen?“
Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Okay.“
„Ich muss noch ein paar Anrufe erledigen. Überleg dir, was du essen willst, und wir lassen es liefern.“ Er lehnte seine Stirn kurz an ihre und verschwand aus der Küche.
Sie bestellten ihr Essen bei Nicole’s , einem beliebten Bistro am Rande des Garden District. Rain schlürfte ihren Merlot und sah zu, wie Trevor seine Nudeln auf die Gabel wickelte, bevor er sie sich in den Mund schob. Er hatte sich umgezogen und trug Jeans und T-Shirt. Ohne Anzug und Krawatte wirkte er viel lässiger. Doch seine Waffe war noch immer im Holster an seinem Gürtel – eine Erinnerung an die Umstände, die sie zusammengeführt hatten.
„Du isst ja gar nichts“, beobachtete er und wischte sich mit der Serviette den Mund ab.
„Ich bin nicht besonders hungrig. Die Nerven, schätze ich.“
Er schüttete den Rest aus einer Sodadose in sein Glas.
„Im Ascension neulich hast du gesagt, du würdest keinen Alkohol trinken. Nicht einmal nach Dienstschluss“, begann Rain.
Sie verdrehte ihre Serviette im Schoß, als Trevor sie anblickte. „Ist das wegen deines Vaters?“
„Bekomme ich zum Dinner etwa eine Psychoanalyse gratis?“ Auch wenn es scherzhaft klang, schwang in seinen Worten eine gewisse Verstimmung mit.
„Ich möchte dich einfach nur kennenlernen, Trevor.“
Lustlos stocherte er mit der Gabel in seinem Essen herum, bis er sie schließlich auf den Tellerrand legte. „Auf dem College habe ich ein- oder zweimal Alkohol probiert. Ich mochte das Gefühl nicht, diesen Kontrollverlust. Außerdem gibt es in meiner Familie viele Fälle von Drogenmissbrauch. Über Brian weißt du ja Bescheid.“
„Ich weiß, dass er seit fast zwei Jahren clean ist.“
„Er ist immer noch ein Abhängiger, der sich im Genesungsprozess befindet. Das ändert sich niemals.“ Trevor schwieg nachdenklich. „Unsere Mutter hatte auch ein Alkoholproblem. Sie starb vor einigen Jahren.“
Rain betrachtete sein Gesicht und sah die Anspannung in seinen Zügen. „Alex sagte, du siehst deinen Bruder und deine Schwester nicht sehr oft.“
„Es ist kompliziert.“
„Möchtest du darüber reden?“, fragte sie vorsichtig.
Als er sie erneut ansah, hatten seine Augen sich verdunkelt.
„Ich möchte lieber ein friedliches Dinner mit dir, Rain.“
Schweigend verbrachte er den Rest des Essens, offensichtlich in Gedanken verloren. Irgendwann stand er auf und trug seinen leeren Teller in der Küche, um ihn abzuspülen. Rain brachte ihren Teller ebenfalls in die Küche. Sie füllte den Rest der Shrimps und Auberginen, die sie bestellt hatte, zurück in die Plastikschachtel und stellte das Essen in den Kühlschrank. Aus den Augenwinkeln musterte sie Trevors Profil. Er schien erschöpft zu sein.
„Warum legst du dich nicht im Wohnzimmer etwas hin? Nur bis der Officer kommt, um dich abzulösen …“
Er schüttelte den Kopf. „Mir geht es gut.“
„Trevor.“ Rains Stimme war sanft. „Du wirst niemals so sein wie er. Wie dein Vater. Du hast es nicht in dir.“
Vielleicht hatte die Müdigkeit ihn verletzlich gemacht, aber als sie ihn nun ansah, zog sich ihr Herz zusammen. Ihre Blicke trafen sich, als plötzlich ein Schrillen die Stille im Raum zerriss. Seufzend prüfte Trevor sein Handy. „Das kommt nicht von meinem Telefon.“
Rain suchte nach der Quelle des Geräusches. Sie entdeckte ihr eigenes Handy, das fast versteckt hinter der Tagespost lag, die sich auf der Küchentheke türmte. Sie nahm es in die Hand. Anrufer unbekannt blinkte auf dem Display.
Vielleicht ein weiterer Journalist, der ein Statement von ihr wollte. Doch Rains Patienten hatten für den Notfall ebenfalls ihre Handynummer. Sie klappte das Handy auf und meldete sich. Ein Schauder jagte ihr über den Rücken, als ihre Begrüßung erwidert wurde.
„Guten Abend, Rain.“
„Woher haben Sie diese Nummer?“
„Ich habe meine Möglichkeiten, was dich betrifft.“
Trevor warf das Geschirrhandtuch weg, das er in der Hand hielt. Behutsam nahm er Rain das Telefon aus der Hand. Sie hatte das Handy so fest umklammert, dass ihre
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