Nachtruf (German Edition)
Du solltest mirkeine Informationen vorenthalten.“
Sie versuchte, an ihm vorbeizugehen, aber er streckte die Hand aus und erwischte ihren Ellbogen. Seine Stimme klang eindringlich. „Mein Gott, Rain. Was hast du mir noch alles verschwiegen?“
„Da ist nichts weiter …“
„Und das soll ich dir glauben?“
Rain schüttelte seine Hand ab und verließ das Büro.
Eine Minute später hörte sie an seinen Schritten, dass er die Tür zur Küche erreicht hatte. Sie stand mit dem Rücken zu ihm vor der Spüle und goss sich ein Glas Wasser ein. Als es voll war, trank sie einen Schluck und starrte auf einen Punkt auf den Wandfliesen.
„Es war nicht Oliver, der mich gestern überfallen hat“, betonte Rain ruhig. „Die Körpergröße des Mannes, das Tattoo. Das war nicht Oliver.“
Trevor kam zu ihr und legte seine Hände von hinten auf ihre Schultern. „Ich sollte dich heute nicht damit nerven. Ich verstehe nur nicht, warum du mir etwas vorenthältst.“
Sie drehte sich zu ihm um und blickte ihn an. „Weil ich nicht glaube, dass Oliver eine Vernehmung durchstehen würde. Ich bin Psychologin, Trevor. Diese Kinder sind meine Patienten …“
„Warum glaubst du, dass es eine Vernehmung geben würde?“
„Weil ich wusste, dass sein Name in euren Datenbanken sofort auftauchen würde. Es gab in seinem Leben einige Zusammenstöße mit der Polizei.“
Trevor lehnte sich an die Küchentheke und verschränkte die Arme vor der Brust. Er wartete darauf, mehr von ihr zu hören. Die Fältchen um seine erschöpft wirkenden Augen erinnerten Rain daran, dass er eine schlaflose Nacht hinter sich hatte und an diesem Tag schon viele Stunden auf den Beinen war. Ob er sich irgendwann ein wenig Ruhe gegönnt hatte? Das Letzte, was er brauchte, war es, hierherzukommen und herauszufinden, dass sie Geheimnisse vor ihm gehabt hatte.
„Oliver ist erst achtzehn“, sagte sie. „Er hat eine Jugendstrafaktewegen Einbruch und Diebstahl. Das meiste davon hat sein Vater gelöscht. Es gibt allerdings eine Verurteilung von vor fünf Monaten, die in der Akte verbleibt. Er wurde damals nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt. Im Moment ist er auf Bewährung, und die Therapiesitzungen gehören zu den Auflagen.“
„Das ist der Patient, von dem du mir vor einer Weile erzählt hast, oder? Der, der deine Wäsche durchsucht hat?“
„Ich sagte, vielleicht hat er meine Wäsche durchsucht. Ich bin mir nicht sicher.“
„Wie ist er an deinen Zugangscode gekommen?“
Sie blickte zum Küchenschrank. „Ich habe einen Zettel mit meinem Code an die Innenseite der Schranktür geklebt – für den Fall, dass ich ihn vergesse. Oliver hat ihn gefunden …“
„Und verwendet ihn seitdem, um kommen und gehen zu können, wie es ihm gefällt.“
Rain holte tief Luft. Es war wichtig, dass Trevor sie verstand. „Oliver ist klug. Er ist sogar brillant. Sein IQ ist unglaublich hoch. Doch er ist verstört. Er hat seine Mutter verloren, als er noch sehr klein war, und hat seine Jugend überwiegend in Internaten in Europa verbracht …“
„Rain.“ Trevor blickte ihr in die Augen. „Fakt ist, dass ich es mir nicht leisten kann, irgendeinen möglichen Ermittlungsansatz zu vernachlässigen. Dass der Junge deinen Zugangscode besaß, reicht mir für eine Vorladung aus. Er könnte den Code durchaus an den Killer verkauft haben – für einen Joint oder so einen Siegelring mit Satanszeichen … was weiß ich, auf was er abfährt. Ich möchte nur mit ihm reden, das ist alles.“ Er senkte den Kopf und streifte mit seinen Lippen leicht ihren Mund. „Keine Angst. Ich werde vorsichtig mit ihm umgehen.“
„Ich hätte dir von Oliver erzählen sollen. Ich wollte die Dinge nur nicht noch komplizierter machen.“ Sie strich über sein Hemd. „So hätte ich mir unsere erste Unterhaltung nach letzter Nacht nicht vorgestellt.“
Seine Augen verdunkelten sich bei der Erinnerung an ihr Liebesspiel. Er verschlang ihre Finger miteinander. „Ich bleibefür eine Weile hier, aber ein Cop wird in ein paar Stunden kommen, um mich abzulösen. Morgen früh findet eine Besprechung mit meinem Chef, dem Leiter der Violent Crimes Unit , statt. Er fliegt heute Nacht hierher nach New Orleans und erwartet um acht Uhr einen vollständigen Einblick in die Ermittlungen. Ich brauche etwas Schlaf und muss vorbereitet sein. Bis zu den Ereignissen in New Orleans war der Fall nicht von so großem Interesse. Heute wird schon im ganzen Land darüber berichtet.“
Rain nickte; sie
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