Nachts im Zoo (Junge Liebe ) (German Edition)
schreckliche Bild von Svens Leiche. Und dann sah er Kevin. Mein Gott, wie sehr musste er gelitten haben, als sein Bruder des Mordes verdächtigt wurde ...
„Josh? Josh, komm bitte wieder zu dir!"
Er lag auf dem Boden, hatte einfach das Bewusstsein verloren. Er spürte die leichten Schläge auf seiner Wange und vernahm die besorgten Worte seines Freundes. „Josh? Mach die Augen auf!"
Er kam wieder zu sich, schüttelte den Kopf, in dem es ungnädig hämmerte. „Was ist bloß los mit mir?"
Er verstand sich selbst nicht mehr, doch musste er sich eingestehen, dass seine Nerven völlig blank lagen. Er war sonst immer kräftig gewesen, ausdauernd und stark, doch nun, ohne Kevin, brach alles zusammen, wie ein Kartenhaus.
Lukas half ihm wieder auf die Beine, doch anstatt sich hinzulegen, schlich Josh in den Flur.
„Was machst du denn?", hörte er Lukas verzweifelt rufen. „Komm zurück, du machst mir Angst."
Aber Josh hörte nicht. Stattdessen betrat er Kevins Zimmer, machte dort Licht und starrte eine ganze Weile auf den Rollstuhl, dann auf das Bett. Wie von einer unsichtbaren Hand geleitet ging er auf das Bett zu und setzte sich. Still nahm er Kevins Kopfkissen in die Hände, presste es an seinen Körper. Es roch so gut nach ihm.
„Er ist nicht mehr da, Josh!", tönte Lukas von hinten. „Er ist weg, du musst dich nicht mehr kümmern. - Damit solltest du dich langsam abfinden."
Als Josh am nächsten Morgen erwachte, schien die pralle Sonne in sein Zimmer. Lukas lag nicht mehr neben ihm. Als er auf die Uhr sah, bekam er einen regelrechten Schreck. Es war schon nach zehn Uhr! Wieso hatte ihn denn niemand geweckt?
Hastig zog er sich an und eilte ins Erdgeschoss, wo zu seiner Überraschung Lukas, zusammen mit Klara, am Frühstückstisch saß.
„Warum habt ihr mich schlafen lassen?", fragte Josh völlig aufgebracht, selbst der Kuss, den er auf Lukas' Wange drückte, war oberflächlicher als sonst. Er war mit seinen Gedanken ganz woanders.
„Bernd und ich waren uns einig", erklärte Klara. „Thomas und Benni schaffen das heute auch ohne dich." Sie sah ihn mitfühlend an. „Es war ein schlimmer Tag gestern. Du solltest dich heute ausruhen."
Josh nickte. Dankbar nahm er den Kaffee an, den Lukas ihm eingeschenkt hatte. Ja, es war ein schlimmer Tag gewesen, und eine Frage ging ihm nicht aus dem Kopf.
„Was ist mit Kevin?", fragte er wie unter Zwang.
„Sie haben ihn zuerst ins Krankenhaus gebracht", berichtete Klara. „Seine Platzwunde am Kopf musste genäht werden."
Josh schloss betroffen die Augen. Er hatte seinem Bruder diese Wunde zugefügt, in der Annahme, er sei Clemens gewesen. Hätte Lukas ihn nicht aufgehalten, vielleicht hätte er ihm sogar den Schädel zertrümmert.
Und wie beängstigend, zu wissen, welche Abneigung er gegenüber seinem Drillingsbruder Clemens verspürte.
Was der wohl wieder geifern würde, wenn er von der ganzen Sache erfuhr?
„Sie haben gleich weitere Untersuchungen gemacht. Kevin hat eine deutliche Muskelschwäche, aufgrund des langen Sitzens im Rollstuhl. Aber seine Verletzung am Rückenmark ist gänzlich abgeheilt. Es ist nicht einmal mehr eine Schwellung zu sehen."
Klara lächelte. Obwohl auch sie kaum begreifen konnte, was ihr Neffe getan und ihnen jahrelang vorgespielt hatte, freute sie sich wirklich, dass Kevin völlig unerwartet genesen war.
Josh atmete tief durch. Allmählich wurde ihm klar, warum er Kevin in der Nacht zuvor so einfach stellen konnte. Sein Bruder konnte vielleicht wieder gehen und auch laufen, doch war er solche Art von Anstrengung nicht gewohnt. Er saß ja ständig im Rollstuhl, wurde gehoben, getragen, geschoben ...
Die Jagd durch den Zoo musste eine extrem große Belastung für ihn gewesen sein.
„Dann bleibt er wohl erst mal unter Verschluss, was?" Josh löcherte seine Tante mit großen Augen, und sie nickte.
„Bernd darf ihm später ein paar Sachen bringen. Es wird zu einer Anklage kommen. Herr Schneider hat sich des Falls inzwischen angenommen. Man wird Kevin mit Sicherheit gefährliche Körperverletzung vorwerfen und das gleich in zwei Fällen." Sie schenkte Lukas einen flüchtigen Blick. „Er hat längst gestanden, dass er diesen Herrn Cychowski angegriffen hat, dass dieser Vorfall tödlich enden würde, das hat er natürlich nicht gewollt."
Tränen füllten ihre Augen. Sie glaubte ebenfalls an die Unschuld ihres Neffen.
„Wer hat die Bären bloß freigelassen?", fragte sie sich laut.
Eine berechtigte Frage, die noch immer
Weitere Kostenlose Bücher