Nachts im Zoo (Junge Liebe ) (German Edition)
einen weiteren Angriff auf ihn gegeben. Und auch Josh war gewillt, Gewalt anzuwenden, hätte es Not getan. Kaum vorstellbar, dass sie in ihrer Wut und Verzweiflung vielleicht Kevin ernsthaft verletzt hätten.
Still nahmen sie den Weg zum Wohnhaus. Josh zitterte noch immer. Er war völlig erschöpft. Die Strapazen der letzten Wochen machten sich bemerkbar. Und als sie an der Elefantenanlage vorbeikamen, krümmte er sich und begann zu würgen. Ihm war übel, und seine Beine wie aus Gummi. Er musste sich auf eine der Bänke setzen.
Sein Gesicht war weiß, und kleine Schweißperlen sammelten sich auf seiner Stirn.
„Du musst dich gleich hinlegen", sagte Lukas besorgt. Längst hatte er bemerkt, dass Josh regelrecht unter Schock stand.
Nach einigen Minuten nahmen sie die letzten Meter auf sich und betraten dann das Wohnhaus.
Dort verließ gerade der letzte Polizist das Anwesen. Bernd und Klara standen an der Tür und waren sichtlich erleichtert, als sie Josh in Begleitung seines Freundes sahen.
Sie sprachen nicht mehr viel an diesem Abend. Allen Beteiligten fehlten die Worte. Bernd hatte seinem Neffen nur tröstend auf die Schulter geklopft, und Klara hatte ihnen einen Tee aufs Zimmer gebracht.
„Ich könnte eher ein Bier vertragen", sagte Josh, der auf dem Bett lag, sich etwas beruhigt hatte und vorsichtig an dem heißen Tee nippte.
Dann blickte er Lukas dankbar an. Was wäre er ohne ihn gewesen in dieser Nacht?
„Du kannst gerne hierbleiben", sagte Josh daraufhin. „Ich muss morgen zwar wieder früh raus, aber wenigstens muss ich niemanden vorher waschen und anziehen."
Sein Gesichtsausdruck signalisierte, dass er an Kevin dachte und an die Tatsache, dass er ihn tagtäglich wie einen Schwerstkranken behandelt hatte, obwohl der es gar nicht war.
„Ich verstehe das wirklich nicht", sagte Lukas. Er hatte inzwischen seine Jacke und Schuhe ausgezogen und kam zu Josh mit ins Bett.
„Wie kann man vortäuschen, nicht laufen zu können? Wie kann man sich seiner Lebensqualität derart berauben? Das ist doch krank, oder nicht?"
Fragend blickte er Josh an. Der seufzte. So unglaublich es auch war, aber irgendwie konnte er sich in seinen Bruder hineinversetzen und dessen Situation verstehen.
„Ich glaube, er hatte einfach nur Angst", erklärte Josh. „Angst, allein zu sein, mich zu verlieren. Als der Unfall geschah, hat er gemerkt, wie sehr er auf mich zählen konnte und wie sehr ich für ihn da war. Ich denke, nach dem Tod unserer Eltern hat er sich irgendwie im Stich gelassen gefühlt. Und dann war ich für ihn da. Auch nach dem Unfall. Jederzeit. - Wahrscheinlich hatte er Angst, dass sich das ändern würde, hätte ich gewusst, dass er wieder laufen kann."
„Aber durch sein Verhalten hat er dir geschadet", erinnerte Lukas. „Du standest unter Mordverdacht."
Josh nickte.
„Sicher, aber er hat versucht, mich zu schützen. Er hat mir ein Alibi gegeben ..."
„Und sich dadurch ein eigenes geschaffen ...", fügte Lukas hinzu. Er schüttelte den Kopf. Er konnte in diesem Moment kein Mitleid für Kevin empfinden, noch dessen Taten nachvollziehen.
„Ich denke, er war ebenso geschockt von Svens Tod", sprach Josh weiter. „Er wollte ihn doch nicht wirklich umbringen. Dass dieses Unglück dann doch passierte, muss ihn fertig gemacht haben. Er wusste ebenso wenig, wie wir, wie die Bären auf die Anlage kamen ..."
Lukas stutzte.
„Du glaubst ihm?"
Josh nickte.
„Ja. Er hat Sven vielleicht aufgelauert und ihn in die Bärenanlage befördert, aber mit Sicherheit hat er die Bären nicht freigelassen ... Dafür lege ich meine Hand ins Feuer."
„Aber wieso hat er das mit Sven überhaupt gemacht?", fragte Lukas, dabei konnte er sich die Antwort fast denken. „Aus Eifersucht?"
Josh starrte ins Leere. „Gut möglich."
Er lächelte ein wenig, als würde ihm diese Tatsache schmeicheln, dabei war alles so absurd, so sinnlos und überflüssig gewesen.
Er schob sich aus dem Bett und griff nach den Zigaretten. Der Morgen dämmerte. Es würde wieder warm werden. Er öffnete das Fenster, dann entzündete er eine Zigarette. Noch immer war ihm ganz komisch zumute, trotzdem inhalierte er den Zigarettenrauch tief ein.
Obwohl Lukas bei ihm war, fühlte er sich unerwartet allein, verraten und im Stich gelassen. Er war immer für Kevin da gewesen, und nun hatte der ihn einfach verlassen!
Die freie Hand wanderte über seine Augen. Er sah Sven plötzlich vor sich, wie er lachte. Er sah wieder das Blut vor den Augen, dieses
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