Nachts im Zoo (Junge Liebe ) (German Edition)
niemand beantworten konnte.
Doch eins stand für Josh fest: „Kevin war es nicht, der hat einen Generalschlüssel. Er hätte Thomas' Schlüssel nicht stehlen müssen. - Außer, er wollte die Schuld bewusst einem anderen zuschieben, aber das glaube ich auch nicht."
„Dann kann man nur hoffen, dass die Richter das genauso sehen", fügte Lukas hinzu, was Josh ebenfalls still hoffte.
Er hielt es gerade mal bis zum späten Nachmittag aus, dann trieb es ihn trotzdem vor die Tür.
„Du sollst dich doch ausruhen!", rief Benni ihm aus dem Gehege der Wölfe entgegen. Josh hob schlichtend die Hände.
„Ich geh doch nur etwas spazieren", erklärte er.
Das stimmte allerdings. Er war zivil gekleidet, mit blauer Jeans und einem kurzärmligen Hemd, an dem die oberen Knöpfe offen waren.
Er wollte wirklich nur etwas umherlaufen, die Atmosphäre des Zoos genießen und sich vergegenwärtigen, dass die schlimmen Wochen der Furcht und Unsicherheit vorbei waren.
Man würde wieder sorglos durch den Zoo gehen können, frei von lästigen Fragen und Grübeleien.
Er konnte es gar nicht abwarten, wieder zu arbeiten, ohne mit den Gedanken bei Sven, Piepgras oder einer drohenden Mordanklage zu sein.
Seine Kollegen grüßten ihn verhalten. Manche kamen auch direkt auf ihn zu und sprachen ihn auf Kevin hin an. Einige schienen ihm auch aus dem Weg zu gehen. Es war ja auch nicht einfach, einen Verbrecher und Lügner, was seine Behinderung anging, in den eigenen Reihen zu wissen, auch wenn Kevin seit Jahren nicht mehr als Tierpfleger gearbeitet hatte. Er war trotzdem immer gegenwärtig gewesen. Als Neffe des Zoodirektors und als Joshs Zwillingsbruder kannte ihn praktisch jeder.
Und die Information über das, was sich in der vergangenen Nacht im Zoo abgespielt hatte, verbreitete sich rasend schnell.
Bei den Affen machte Josh Halt. Die Tür war inzwischen gereinigt worden. Kein Blut klebte mehr an der Glasscheibe. Das hätte Josh wohl auch abermals aus dem Gleichgewicht gebracht.
Er konnte zwar inzwischen klar über diese Sache reden und denken, und trotzdem steckte der Schock noch tief in seinen Knochen.
Eine ganze Weile stand er vor der Freianlage der Orang-Utans. Dort hatte es vor ein paar Monaten Nachwuchs gegeben. Das kleine Affenbaby lockte die Besucher an, und auch Josh erfreute sich an dem Anblick und wurde dadurch ein wenig abgelenkt.
„Hey, Josh!"
Er drehte sich und sah Carola, die Auszubildende aus dem Raubtierhaus. „Ich habe für mich, Betty und die anderen Eis gekauft" - sie deutete auf eine große Packung Waffeleis, die sie am Kiosk erstanden hatte - „Möchtest du auch eins?"
Er lehnte dankend ab.
„Heute nicht, trotzdem nett von dir."
„Ist doch klar!" Sie war blond, langhaarig und hatte, trotz ein paar überschüssigen Pfunden, eine ganz ansehnliche Figur. Und ihr Blick war mitfühlend.
„Tut mir leid, was mit Kevin passiert ist", sagte sie. Ihre Stirn zeigte nachdenkliche Falten. „War er es denn wirklich? Ist man sicher?"
Josh hob die Schultern leicht an. „Es sieht wirklich so aus, ja."
„Auch wenn die anderen es nicht so zeigen. Es geht allen sehr nah", berichtete sie.
„Mmh, ja." Josh senkte seinen Blick. Er wollte und konnte nicht mehr dazu sagen. Aber es machte ihm Mut, dass seine Kollegen offensichtlich alle an ihn und seinen Bruder dachten.
„Hast du vielleicht Lust, später einen Kaffee mit mir zu trinken?", fragte sie schließlich.
Oh, Mann, er hatte geahnt, dass sie das irgendwann einmal fragen würde. Doch sie war ein Mädchen, sicher sechs Jahre jünger als er und zudem ...
„Du weißt doch, man sieht es nicht gerne, wenn ein Pfleger mit Azubis anbändelt."
Das brachte sie zum Glück zum Lachen.
„Na schön, heute dann nicht, aber ich werde es sicher noch einmal versuchen!"
Sie lächelte ihn abermals herzlich an, was Josh in seiner Situation wirklich gut tat, dann verschwand sie mit dem Eis in Richtung Raubtierhaus.
Ungeduldig saß Josh in dem kargen Vorraum. Immer wieder wurden Personen in den Besucherraum hereingerufen, dann, nach einer unendlich langen Zeit, war er an der Reihe.
„Besuch für Kevin Behrens?", rief die Gefängniswärterin durch den Raum, da stand Josh sofort auf und kam näher.
„Ja!"
Vor der Wärterin blieb er stehen, und jene musterte ihn gründlich, fast erschrocken, als müsse sie sofort ungeheuerliche Schritte einleiten.
„Aber, Sie sehen ja aus, wie ..." Ungläubig schüttelte sie den Kopf.
„Ja, ich bin sein Zwillingsbruder", erklärte
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