Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)
wird ihren Geburtstagskuchen auch ohne mich genießen, ganz sicher. Nein, ausgeschlossen. Entschuldige, aber man wartet hier.« Schneider drückte hektisch auf dem Handy herum. »Wie geht das aus, verdammte Scheiße?« Der unmittelbar neben ihm Sitzende besaß die Dreistigkeit, über Schneiders Hand hinweg auf die Stand-by-Taste zu drücken, was Schneider mit bösem Blick quittierte, aber des Zeitpunktes wegen unkommentiert ließ. »Also. Für alle, die es noch nichtmitbekommen haben: Wir haben Theresia Hoeflings Handy gefunden.« Er sah jetzt explizit zu Harris hinüber. »Sehen Sie, Zimmering, noch mal von Tür zu Tür und noch mal durch den Wald ergibt eben Sinn.« Er wartete Harris’ Nicken ab und wurde dann wieder allgemein. »Kurz bevor Theresia Hoefling angegriffen wurde, schaltete sie ihre Handykamera ein. Es hat ihr zwar nicht geholfen … aber dafür haben wir nun alles auf Film!« Beim letzten Wort drückte er triumphierend die Playtaste am Computer und setzte sich auf die vorderste Kante seines Schreibtischsessels.
Das Video begann abrupt. Für Sekunden sah man eine Gestalt, die aus dem Dunkel in den schwachen Lichtschein des Handys trat. Abwehrend riss sie die Arme nach oben, um nicht geblendet zu werden, so dass man deutlich lederne Arbeitshandschuhe erkennen konnte. Schwarzer Regenmantel oder Ähnliches mit Kapuze, dunkle Hosen und klobige Stiefel. Das Bild begann zu zittern, dann Theresias schwacher Aufschrei, und das Handy fiel zu Boden. Fortan waren nur noch Geräusche zu hören. Flüstern, dann Theresias Stimme. »Robert! Bitte, bitte hör auf! Es tut mir leid.« Wieder kaum vernehmbares Flüstern, Kampfgeräusche, schließlich Theresias markerschütternder Schrei. Kurz darauf schaltete die Kamera sich selbst aus.
»Na wenn das kein Ding ist!«, stieß Schneider hervor und sah sich suchend unter den Kollegen um. »Wo ist dieser … na … mein Gott, dieser … Hilfssheriff?«
»Kollege Kahlhaase«
»Genau der.«
»Drei Zimmer weiter!«
Leicht amüsiert griff Schneider nach dem Telefon, wurde aber schlagartig ernst, als auf der anderen Seite jemand abhob.
»Kahlhaase? Holen Sie Robert Schumann her! … Ja, in Handschellen! Wie, das ist zu aufsehenerregend? Genau das beabsichtige ich! Verstanden?«
30.
»Ich war schon mal da, aber du hast nicht aufgemacht.«
Harris stellte ein Sixpack Bier ab, zog seine Jacke aus und schüttelte sich wie ein Hund. »Langsam fängt dieses Scheißwetter an zu nerven.«
Dann griff er mit bitterer Miene in seine Hosentasche und holte das vibrierende Handy hervor. »Und das hier auch.« Nach einem kurzen Blick auf das Display ließ er es wieder in seiner Tasche verschwinden.
»Willst du nicht rangehen?«
Harris winkte ab. »War nur ’ne Benachrichtigung für ’nen verpassten Anruf im letzten Funkloch. Außerdem kann es nicht wichtig gewesen sein, sonst hätte Claudia noch mal angerufen.«
»Claudia?«, fragte Alexandra und gab sich keine Mühe, den auffälligen Unterton zu kaschieren.
Mit gespieltem Desinteresse an ihrer Frage riss Harris die Sixpackverpackung auseinander, öffnete eine Flasche an der Kühlschrankkante und stellte den Rest hinein. In aller Seelenruhe setzte er das Bier an die Lippen und trank.
»Die Kellnerin in Pauls Kneipe«, sagte er schließlich und lächelte. »Höre ich da etwa einen Anflug von …«
»Eifersucht? Auf diese pinkfarbene, gepiercte Punklady? Glaub nicht.«
Alexandra klopfte auf das Sofa neben sich. »Komm hierher, dann sieht man dich nicht so.«
Harris griff nach der Gardine und wedelte damit herum. »Wer sollte mich hier sehen?«
»Meine Vermieterin. Frau Anders befürchtet sonst, ins Gefängnis zu kommen!«
»Hm?«
»Ja, wegen Kuppelei!«
Mit einem Riesensprung hechtete er auf die Couch. »Hat sie denn einen Grund dafür?«
»Kommt drauf an«, flüsterte Alexandra.
Harris’ Augen blitzten verführerisch. »Kommt worauf an?«, murmelte er, beugte sich zu ihr und küsste sie auf den Mund. Alexandra war nicht die Frau, die man küsste. Wenn, dann küsste sie, lange und innig.
Ein leises Poltern an der Tür ließ sie zusammenschrecken. Die Klinke bewegte sich zwar leicht, wurde aber nicht nach unten gedrückt. Alexandra lächelte vielsagend, schlich zum Fenster und schob die Gardine ein wenig zur Seite. Im Licht der Gartenlaterne sah sie einen überdimensionalen Regenschirm davonlaufen. Erst als die Person mehrmals stehen blieb und zurückschaute, erkannte sie Herrn Anders. Sicherlich hoffte er, dass sie
Weitere Kostenlose Bücher