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Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)

Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)

Titel: Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Gwisdek
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Huckepack auf seinem Rücken hatte sie ihr Gesicht immer an sein durchgeschwitztes Hemd gepresst, wenn er im wilden Galopp mit ihr über die Felder gerannt war, um den selbstgebauten Drachen in unendliche Höhen steigen zu lassen. Dieser herbstliche Brauch war eine der schönsten Erinnerungen an ihre Kindheit.
    Plötzlich erschien ihr der alte Mann weniger fremd, fast spürte sie so etwas wie Zuneigung für ihn.
    »Mein Gott, wie ich es hasse!«, zischte er plötzlich und schlug die Augen auf. Alexandra ahnte, was in ihm vorging, und strich, ihn weiterhin fest in den Armen haltend, mit dem Daumen über seinen Handrücken. Sie dachte nicht darüber nach, ob Trost in diesem Moment das Richtige oder aber genau das war, was er verabscheute, aber da er sie gewähren ließ, folgte sie ihrem Gefühl und streichelte weiter seine Hand.
    »Mit Freude altern, ich scheiß drauf. Was ist daran lustig,wenn man sich bald nicht mehr alleine den Arsch abwischen kann? Also freuen Sie sich nicht darauf. Das Alter bringt nichts außer Schmerzen und einen Kopf, in den von oben jeden Tag Kalk reingeschüttet wird.« Als er Alexandras verdutzte Miene sah, boxte er sie seicht in die Seite und deutete ihr dann an, dass sie ihm aufhelfen sollte. »Nichts für ungut, Kleene, ich wollt dich nicht erschrecken.«
    Sie hatte Mühe, in ihrer Hilfestellung nicht zu straucheln, denn auch wenn er kleiner als sie war, seine Leibesfülle und das steife Bein machten das Aufstehen zu einem wahren Kraftakt.
    »Morgen kommen die Kinder, deshalb können Sie nur eine Nacht bleiben! Tut mir leid, aber Sie haben sich da einen wirklich ungünstigen Zeitpunkt für Ihren Urlaub ausgesucht.«
    »Es muss Ihnen nicht leidtun, das ist vollkommen in Ordnung so«, sagte Alexandra und hob das Bettzeug vom Boden auf.
    »Wissen Sie, siebenundneunzig war ich ja noch jung«, er lächelte spitzbübisch, »aber wenn’s wieder so schlimm kommt, werden meine Frau und ich damit bestimmt nicht fertig.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Das Wasser! Wenn die Dämme brechen, kommt es rasend schnell. Die Sandsäcke sind einfach zu schwer für mich.«
    Alexandra nickte verständnisvoll.
    »Sie wollen dann auch keinen Urlaub mehr hier machen, glauben Sie mir!«
    Es war nicht wichtig, ihm zu erklären, dass es ihr um alles andere als Urlaub ging, also lächelte sie freundlich und pflichtete ihm bei. »Da werden Sie wohl recht haben. Ich hasse Wasser, und wenn es ginge, würde ich es nicht mal trinken. Wo soll ich schlafen?«
    Herr Anders sah sie verständnislos an und wies dann mit seinem Stock auf das braune Ecksofa. »Sieht unbequemer aus, als es ist. Man kann’s ausklappen, aber für so eine schlankePerson wie Sie wird’s gar nicht nötig sein. Oder erwarten Sie etwa Herrenbesuch?«
    Alexandra lächelte verschwörerisch. »Vielleicht?«
    Wieder die spitzbübische Miene. »Das lassen Sie mal nicht meine Frau wissen! Sie hält nämlich Männerbesuch bei ledigen Frauen für unzüchtig und hat dann die ganze Nacht Angst, wegen Kuppelei ins Gefängnis zu kommen.«
    »Ernsthaft?«
    Herr Anders nickte nachdrücklich. »Moralisch lebt sie immer noch in den Fünfzigern. Aber keine Sorge, meine Lippen sind verschlossen.« Zur Demonstration kniff er seine Lippen zusammen, drehte seine Finger davor hin und her und warf den imaginären Schlüssel hinter sich. Dann zwinkerte er ihr zu und schlurfte aus dem Zimmer.

29.
    Als Harris gegen achtzehn Uhr sein Büro betrat, gab es keinen Platz mehr, worauf man auch nur ein Buch hätte ablegen können. Mindestens zwölf Beamte, von denen er die Hälfte noch nie gesehen hatte, umlagerten sitzend oder stehend seinen Computer. Sogar auf Schneiders Campingliege, die noch von der Nacht zuvor aufgeklappt unter der Pinnwand stand, saßen zwei Kollegen des Nachbarreviers.
    »Entschuldigen Sie die Verspätung«, murmelte Harris und hängte seine triefende Regenjacke kurzerhand an der Türklinke auf.
    »Ich bevorzuge Pünktlichkeit statt Entschuldigungen«, hörte er Schneider aus der Menge heraus. »Kommen Sie hier rüber. Ich will, dass Sie’s mit ansehen.«
    Just in diesem Moment klingelte ein Handy. Schneider tastete nach seiner Hosentasche, nickte den Kollegen zu und machte mit der Hand ein Zeichen, das so viel heißen sollte wie einen Moment noch. Dann kniff er die Augen zusammen, las die Anrufernummer und drückte auf die grüne Taste. »Charlotte! Entschuldige, ich bin mitten in einer … nein, ich kann nicht kommen. Ja, versteh ich, aber … Deine Mutter

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