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Nachts sind alle Katzen geil.

Nachts sind alle Katzen geil.

Titel: Nachts sind alle Katzen geil. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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Weiblichkeit. Nur die neuen grazilen
Sommersandalen bewiesen, dass sie eine schöne Frau ist. Sie
kritzelte noch ein paar Worte auf einen Fetzen Butterbrotpapier:
     
»Du wirst mich niemals wiedersehen, du mieses Stück
Dreck!«
     
Ohne etwas zu frühstücken machte sie sich auf den Weg zum
Bahnhof.
     
Reinhard setzte entschlossen den Punkt hinter das letzte Wort.
Drei Seiten waren es geworden. Drei lange Seiten des
Abschieds. Ein Brief ohne Abrechnung, ohne Schuldzuwei-
sungen. Er bat nur um Verständnis, für den letzten Schritt, den
er jetzt tun wollte, tun musste. Er hatte versagt. Auch beim
zweiten Anlauf auf einen frei werdenden Direktorenposten war
er übergangen worden. Schon beim ersten Scheitern hatte ihn
seine Frau dafür verachtet – das wollte er sich nicht noch einmal
antun. Sein Leben war von Arbeit geprägt, von der Karriere, in
der sich seine Frau so gerne sonnte.
     
Von dem Heranwachsen seiner beiden Kinder hat er nicht viel
mitbekommen – er war viel unterwegs und kam abends immer
spät nach Hause.
     
Dann musste er Bericht erstatten über das, was in der Firma so
lief.
     
Zärtlichkeiten gab es nur, wenn er mit einer Erfolgsmeldung
nach Hause kam. Richtig guten Sex nur, wenn er eine dicke
Provision eingestrichen hatte oder gar befördert worden war.
Ihm war klar, dass er sein Leben vergeudet hatte. Vergeudet an
lauter so unwichtige Dinge wie Aktienindex oder sein Handicap
beim Golf. Zu einem Neuanfang fehlten ihm der Mut und die
Kraft, also stand sein Entschluss schon länger fest. Er verließ
das Haus wie gewöhnlich. Fuhr allerdings nicht ins Büro,
sondern parkte seinen Wagen in der Garage neben dem
Bahnhof. Er wollte noch einmal, wie zu Kindeszeiten mit
seinem Opa, mit dem Zug an den Rhein fahren, den
Sonnenuntergang beobachten und dort dem Ganzen ein Ende
setzen.
Der Zug donnerte in den Bahnsteigbereich. Carmen sah ihn auf
sich zu rasen. »Jetzt oder nie« war ihr bestimmender Gedanke.
Sie trat an die Bahnsteigkante, stellte sich auf die Zehenspitzen,
verlagerte ihr Gewicht nach vorne. Gleich würde sie fallen –
aber ein eisenharter Griff an ihrem Ellenbogen hielt sie fest. Der
Zug rollte an ihr vorbei, blieb schließlich stehen. Leute stiegen
aus und wieder ein. Carmen drehte sich langsam um, sah in ein
entschlossenes aber gütiges Gesicht. Der Lärm des
herausfahrenden Zuges verflüchtigte sich.
     
»Warum? Warum haben Sie mich es nicht tun lassen?«
     
Sie war sich völlig bewusst, dass dieser hochgewachsene, mit
einem dunklen Anzug elegant gekleidete Herr ihre Absicht
durchschaut hatte.
     
»Ich respektiere ihren Entschluss, aber denken Sie doch bitte
an die umstehenden Passanten, die Kinder hier und den
Lokführer. Wir dürfen bei solchen Dingen andere Menschen
nicht in Mitleidenschaft ziehen. Es gibt andere Möglichkeiten.«
     
Fassungslos stand Carmen vor ihm. Kein Vorwurf. Kein »ist
doch alles nicht so schlimm, das wird schon wieder« oder so ein
Gefasel.
     
Im Gegenteil, dieser Mensch gegenüber schien sie zu
verstehen.
     
Nach einem schier unendlichen Augenblick des Schweigens
fuhr er fort:
     
»Auch für mich ist heute Endstation«, begann er ruhig.
     
Zog zur Unterstützung seiner Glaubwürdigkeit eine Schachtel
mit Tabletten aus seiner Anzugjacke.
     
»Aber der Tag geht mit dem Sonnenuntergang. Und er geht
leise.«
Carmen war innerlich total aufgewühlt aber sie verstand ihn,
nickte ihm mit geschlossenen Augen zu. In diesem Moment
knurrte ihr Magen fürchterlich.
     
»Sie haben heute sicherlich noch nichts zu sich genommen«,
stellte er treffend fest.
     
»Der Tag ist noch lang, wir sollten uns ein wenig stärken!«
     
Reinhard nahm sie kurzentschlossen an die Hand und zog sie
zum Treppenabgang. Wie in Trance folgte sie ihm zu dem
Bistro am hinteren Bahnhofsausgang. Dort platzierten sie sich
etwas abseits und er bestellte Frühstück für zwei Personen. Der
Duft von frischen Croissants, Erdbeermarmelade und heißem
Kaffee weckte wieder etwas ihre Lebensgeister.
     
Nach einem kräftigen Schluck aus der heißen Tasse erzählte ihr
Reinhard in wenigen, kurzen Sätzen warum er auf dem
Bahnsteig auf den Zug gewartet hatte. Sie sah ihn ungläubig an.
Dann begann sie zu reden. Von ihrer Leidenszeit mit ihrem
Mann und dass sie keinen Ausweg mehr wüsste. Sie schütteten
sich gegenseitig ihr Herz aus, konnten sich dem Verständnis des
Anderen sicher sein.
     
Carmen sah ihn mit tiefgehendem Blick an. Was bloß war an
diesem Mann, dass sie ihm auf Anhieb so

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