Nachts sind alle Katzen geil.
vertraute? So, als
kannte sie ihn schon seit ewigen Zeiten. Und ihm schien es nicht
anders zu gehen.
»Waren sie schon einmal bei Sonnenuntergang in den
Rheinauen?«
wollte er plötzlich wissen.
»Nein, wir haben nie Ausflüge gemacht«, antwortete sie ihm
mit gesenktem Kopf.
»Dann würde ich es als Ehre betrachten, wenn sie mich dorthin
begleiten würden. Sie sollten zum Schluss noch etwas
Wunderschönes gesehen haben!«
»Ja, aber …«
»Kein aber!« bestimmte er.
Reinhard nahm sie abermals an die Hand und gemeinsam
verließen sie das Bistro in Richtung Haupthalle. Vor dem
Schaufenster eines Modeshops blieb er stehen.
»Machen Sie mir eine Freude?«
Gespannt sah er sie an und deutete auf den Traum von einem
Sommerkleid. Hell mit fröhlichen Farbtupfern. Etwas in ihr
sträubte sich.
»Aber das kostet ein kleines Vermögen.«
»Ich benötige das Geld nicht mehr und nehme es auch
niemandem weg.«
Carmen sah an sich herunter. Ja, so würde sie sicherlich besser
zu seiner Erscheinung passen. Er führte sie in die Boutique und
sie probierte das Kleid an. Als sie die Umkleidekabine öffnete
sagte er nur ein Wort:
»Wunderbar.«
Carmen lächelte verlegen, drehte sich wie ferngesteuert einmal
mit Schwung im Kreis, registrierte dankbar sein anerkennendes
Nicken.
»Würden Sie bitte das Preisschild und das Sicherungsetikett
entfernen? Madame behält es gleich an«, wies er die
Verkäuferin an.
Währenddessen sah sich Reinhard in dem Shop etwas um. Er
zog ein Freizeithemd von der Stange und hielt es vor sich.
»Nein, das nicht«, rief Carmen besorgt.
Sie tauschte das Hemd in seiner Hand gegen ein Polo-Shirt aus
einem Regal aus. Und die Verkäuferin reichte ihm dazu eine
legere Freizeithose. Zum Schluss steckten ihn die beiden Damen
noch in passende Schuhe. Ohne auf den Preis zu achten zahlte
Reinhard mit seiner Kreditkarte. Die alten Sachen der Beiden
steckte die Verkäuferin in eine geräumige Plastiktasche.
Reinhard nahm die Tasche in die Linke, bot Carmen seinen
rechten Arm an. Mit stummem Blick hakte sie sich bei ihm ein
und gemeinsani schlenderten sie durch die Unterführung in
Richtung Bahnsteig. Sie mussten auch gar nicht lange warten
und der Regionalzug hatte Einfahrt. Er war nur mäßig besetzt
und so konnten sie beide am Fenster sitzen. Schweigend ließen
sie die Landschaft an sich vorüberziehen. Am Zielbahnhof
stiegen sie aus dem Zug, nahmen einen kleinen Imbiss in der
Bahnhofsrestauration zu sich und machten sich dann auf den
langen Weg in die Rheinauen. Erst entlang einer Straße, später
auf einem geschotterten Feldweg.
Schließlich standen sie an dem befestigten Ufer des größten
deutschen Flusses.
Ein paar Meter weiter flussabwärts stand eine alte Bank, auf
der sie sich niederließen. Die Sonne stand noch hoch und
wärmte die beiden mit ihren Strahlen. Sie begannen zu reden.
Über das Leben und den Tod. Sie philosophierten über ihre
Weltbilder und waren immer wieder erstaunt darüber, wie sie
einander glichen.
Von Westen zogen hohe Wolken eines herannahenden Gewitters
über sie, schluckten die hellen Strahlen der Sonne. Eine
Windböe tollte über Carmen hinweg, hob frech den Saum ihres
Kleides an und legte kurz ihre grazilen Oberschenkel bis zum
Ansatz ihres Beckens frei. Carmen erschrak, strich
augenblicklich den Stoff wieder glatt, hielt ihn fest bis über die
Knie.
»Du hast wunderschöne Beine«, urteilte Reinhard mit ruhigem
Tonfall.
Ein Lächeln huschte über Carmens Gesicht. Solche
Komplimente hatte sie seit Jahren nicht mehr gehört. Der Wind
umspielte abermals ihre Beine. Sie schloss die Knie und übergab
den Ansatz ihres Kleides den Gewalten der Natur. Reinhard
konnte seine Augen nicht von dieser Schönheit lassen.
Carmen genoss auf einmal seinen bewundernden Blick auf
ihrer Haut, sie fühlte sich seit langem wieder als begehrenswerte
Frau.
Es begann zu tröpfeln. Reinhard sah sich um und deutete auf
den dichten Wald hinter ihnen.
»Wir sollten uns ein wenig unterstellen, bis das Gewitter
vorüber ist.«
Er erhob sich und führte Carmen durch das hohe Gras bis
unter die schützenden Bäume. Die ersten Blitze zuckten bereits
auf der anderen Seite des Flusses hernieder. Der Regen nahm an
Stärke zu und schon bald tropfte es auch von den Bäumen
herunter. Carmen sah ihm auf einmal tief in die Augen.
»Die schönen neuen Sachen werden nass«, stellte sie mit
unruhiger Stimme fest.
Ohne
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