Nachts unter der steinernen Bruecke
Nacht im Sinne habt. Ich will aber hoffen, daß Ihr darüber die heutige nicht vergeßt, der ich mit einiger Erwartung entgegensehe. Oder seid Ihr etwa einer von denen, die, wenn sie in einer Sache darin sind, schon an die nächste denken?«
»Wie? Versteh' ich recht? Die Sache soll heute noch vonstatten gehen?« erkundigte sich der Waldstein mit Besorgnis. »Ich fürchte, die Zeit wird nicht reichen, da ich doch .. «
»Warum sollt' die Zeit nicht reichen? Habt Ihr es so eilig, zu Eurer Schneiderswitwe zurückzukehren?« fragte die maskierte Dame in etwas spitzem Ton.
»Das nicht, Patron«, gab der Waldstein zur Antwort. »Aber wenn die Sache heute noch ...«
»Wie nennt Ihr mich?« rief die Herrin des Hauses. »Patron? So hat mich noch keiner meiner, — so hat mich noch keiner von den Herren genannt, die ich zu Gast hatte. Patron! Ist das die Art, mit einer Dame zu reden und noch dazu mit einer, die, was Stand und Herkunft anlangt, hinter keinem von Euch zurücksteht?«
»Verzeihung!« murmelte der junge Waldstein ganz bestürzt. »Einer von Euern Dienern hat mir gesagt, daß ich Euch so nennen müßte.«
»Wahrhaftig?« rief die Dame empört. »Und welcher von meinen Bedienten war so närrisch oder so tölpfelhaft, Euch das aufzubinden?«
»Der, der heute morgen mit einer Botschaft von Euch bei mir war und gestern auch«, erklärte der Waldstein. »Ich weiß, wie er heißt, aber im Augenblick will's mir nicht einfallen.«
»Einer hat mit Lügen so weit sich verstiegen, daß er ohne Leiter nicht mehr recht kann weiter«, trällerte die maskierte Dame, während sie aufstand und um den Waldstein wie eine Katze herumstrich. »Laßt Euch sagen, Herr Hauptmann, daß ich nicht ein Wort von Eurer Geschichte glaube. Denn ich habe weder gestern noch heute morgen einen meiner Bedienten oder sonst wen mit einer Botschaft zu Euch geschickt.«
»Aber er sagte doch«, hielt ihr der Waldstein vor, »daß er von Euch käme, und ich sollt' mich bereit halten, weil Ihr mit mir von Geschäften zu reden hättet.«
»Von Geschäften?« lachte die Dame. »Das wird ja immer schöner. Nein, mein Herr Hauptmann! Ich will Euch ins Gesicht nicht zu sehr rühmen, aber daß ich einen schönen und jungen Offizier, wie Ihr einer seid, zu mir bitte, um mit ihm von Geschäften zu reden, — nein, Herr Hauptmann, wer das sagt, der kennt mich nicht. Ich fürchte, Ihr seid da in eine Kette von Irrtümern verstrickt.«
»Das fürchte ich auch«, sagte betrübt der junge Waldstein, der seine sechshundert Dukaten davonschwimmen sah. »Aber wollt Ihr mir nicht erklären, in welcher Absicht Ihr mich habt hierher kommen lassen?«
»Man könnte wahrhaftig glauben, daß Euer Mund noch nach der Ammenmilch riecht«, sagte lachend die maskierte Dame, und wiederum strich sie wie eine verspielte Katze um den Waldstein und sah ihn bald von der einen, bald von der anderen Seite an. »Warum ich Euch hab' hierher kommen lassen? Ist das so schwer zu erraten? Denkt einmal nach!« Der Waldstein dachte im Augenblick an alles eher'als an ein verliebtes Abenteuer, die Worte des Leitnizer klangen ihm im Ohr, der gesagt hatte, solch eine Gelegenheit, sechshundert Dukaten zu gewinnen, werde sich ihm in aller Ewigkeit nicht mehr präsentieren. Er blickte mißmutig vor sich hin und schwieg.
»Man sagt Euch nach, Ihr hättet einen hohen Verstand«, sprach die Dame weiter. »Aber Ihr scheint Euch seiner mit Mäßigung zu bedienen, denn sonst, Herr Hauptmann, hättet Ihr gemerkt, wie es um mich steht. Ich bin Euch schon mehrmals begegnet und habe nach einer Gelegenheit getrachtet, mit Euch zu sprechen, denn es schien mir, als wäre etwas Besonderes an Euch, etwas, das Euch von allen Männern, die ich kenne, unterscheidet. Irre ich mich? Aber das wißt Ihr ja wohl selbst nicht. Kurzum, Ihr gefallt mir, und ich möchte es dazu bringen, daß auch Ihr mich ein wenig liebt.«
Sie hatte die letzten Worte gar nicht zaghaft oder schüchtern gesprochen, sondern so, als wäre das, was sie begehrte, die selbstverständlichste Sache von der Welt. Der junge Waldstein lächelte, sein Mißmut war verflogen. Und er mußte an den Johannes Kepler denken, der ihm gesagt hatte, daß nicht der Mars, daß die Venus über seinem Abenteuer leuchten werde.
»Da es also der allerschönsten Dame«, begann er und ergriff ihre Hand, »gefallen hat, mich zu ihrem Liebsten zu erwählen...«
»Daß Ihr mich recht versteht: Für eine Nacht!« fiel ihm die allerschönste Dame ins Wort, und sie machte ihre Hemd
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