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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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der Stadt.«
»Wir haben noch etliche Meilen zu fahren, vier oder fünf«, gab ihm der Mann Bescheid.
»Das ist sonderbar. Ich kann's nicht recht verstehen«, sagte der Waldstein halb zu sich selbst.
Dann war wiederum Schweigen. Der Waldstcin hüllte sich fester in seinen Mantel. Der Begen schlug mit großer Heftigkeit an das Dach der Kutsche, und unter den Rädern und den Pferdehufen sprang das Wasser aus den Pfützen in Kaskaden hoch. Als eine halbe Stunde unter dem Trommeln des Regens vergangen war, wandte sich der Mann von neuem an den Waldstein:
»Jetzt sind wir in Hochauz«, berichtete er. »Hier auf dem Schlickschen Gut wird ein starkes Bier gebraut, jedermann rühmt es. Der Herr hat jetzt die halbe Reise hinter sich.«
Der Waldstein hörte ihn nicht. Er hatte den Kopf auf seinen Arm gesenkt und schlief.
Er fuhr auf, als der Wagen hielt, wollt' sich die Augen reiben und spürte die Binde, da kam ihm die Erinnerung wieder. Er stieg aus dem Wagen. Es regnete nicht mehr. Kies knirschte unter seinen Füßen und eine Hand ergriff die seine.
»Geh der Herr nur geradeaus. Er wird erwartet«, sagte eine Stimme, die nicht dem Manne angehörte, der mit ihm im Wagen gefahren war.
Er ging auf einem Kiesweg. Es roch herbstlich nach späten Rosen und vergilbtem Laub.
»Stufen!« warnte die Stimme.
Er stieg eine Treppe hinauf und dann ging es, wie die Hand ihn führte, auf Steinfließen nach rechts, nach links, geradeaus und wiederum nach rechts. Jetzt ließ die Hand des Führers die seine los. Er blieb stehen. Trotz der Binde vor seinen Augen wußte er, daß er sich in einem hell erleuchteten Raum befand. Hinter ihm flüsterte es:
»Die Herrschaft.«
Und im gleichen Augenblick hörte er ein verhaltenes Lachen und eine helle Stimme:
»Seh der Herr doch nicht so streng darein wie die Themis selbst. Nehm der Herr doch endlich die Binde von den Augen und tret er näher, er ist willkommen.«
Der Waldstein streifte die Binde ab. Der Raum, in dem er sich befand, war nicht so hell beleuchtet, wie er vermutet hatte. Nur das Kaminfeuer erhellte ihn und das Licht zweier Wachskerzen, die in einem silbernen Leuchter auf einem Tisch standen, der für zwei Personen gedeckt war. Am Kaminfeuer saß eine Dame in einem Kleid von dunkelviolettem Samt, das gar nicht nach der Mode war, dafür aber auf anmutige Art den Fluß ihrer Körperlinien erraten ließ. Ihr Haar hatte einen Stich ins Rötliche, ihre Hände waren schmal, ihre Knöchel zart, aber das war auch alles, was der Waldstein zu erkennen vermochte, denn ihr Gesicht war hinter einer schwarzseidenen Maske verborgen.
»Da seh einer! Das ist also der Patron. Eine Weibsperson«, sagte der Waldstein zu sich, während er sich verbeugte.
»Ich find's charmant, daß der Herr gekommen ist, hab's zu hoffen nicht gewagt«, erklang hinter der Maske die Stimme der Dame. »Der Herr hat um meinetwillen in schlechtem Wetter und auf grundlosen Wegen eine beschwerliche Fahrt gehabt.«
»Im geringsten nicht«, versicherte der junge Waldstein. »Bin das Beisen gewohnt, sitz' freilich lieber zu Pferd als in einer Kutsche.«
»Ich weiß, daß der Herr bei den Dragonern ein Hauptmann war«, sagte die Dame.
»Der Demoiselle zu dienen«, bestätigte der Waldstein mit einer neuen Verbeugung.
Indessen waren zwei Diener, beide maskiert wie ihre Herrin, eingetreten, die trugen den ersten Gang des Abendessens auf: Weinsuppe, gefüllte Lammsbrust, Spanferkel, Rotkohl, Hühnerflügel, Hühnerleber und Wildschweinschinken, und die Dame lud den Waldstein ein, sich mit ihr zu Tisch zu setzen.
»Nehm der Herr mit dem vorlieb«, bat sie, während die Diener die Gläser füllten, »was das Haus und die Küche vermag, es ist nicht viel.«
»Nur um der allergnädigsten Demoiselle nicht zu mißfallen«, sagte, wie es der gute Ton vorschrieb, der junge Waldstein, und dann legte er sich ein Stück Lammsbrust, zwei Hühnerflügel, etwas Rotkohl und zwei Scheiben Schinken auf den Teller.
Als der zweite Gang mit seinen Gerichten von Kalbfleisch und Wildbret beendet war und die Diener das Dessert auftrugen und sich sodann entfernten, fand der Waldstein, es wäre nun an der Zeit, mit dem Patron über das Unternehmen zu sprechen, das ihm sechshundert Dukaten einbringen sollte.
»Ich trinke«, sagte er und dabei hob er sein Glas und sah der Herrin des Hauses in die Augen, »auf ein gutes Gelingen in der morgigen Nacht.«
»Ich tue Euch gerne Bescheid«, sagte die maskierte Dame, »wenn ich auch nicht weiß, was Ihr für die morgige

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