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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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aber ausgeführt gefallen sie jedem«, hielt ihm der Leitnizer entgegen. »Und dann, überlegt Euch: Eine solche Occasion, mit einem Streich fünf- oder sechshundert Dukaten zu gewinnen, wird sich Euch in aller Ewigkeit nicht wieder präsentieren.«
»Sechshundert Dukaten«, wiederholte überrascht der Waldstein. Er überlegte und berechnete, daß er mit dieser Summe eine Schwadron leichter Reiter aufstellen und ausrüsten konnte. Und mit einer Schwadron leichter Reiter konnte er einen Streif- und Beutezug ins türkische Grenzland unternehmen und auf diese Art vielleicht sein Glück begründen.
Er ließ sich seine Überraschung nicht anmerken.
»Sechshundert Dukaten«, meinte er, »das ist nicht eben viel für eine Sache, in der man, wie es scheint, dem Teufel ein Meßlicht anzünden muß, damit sie gelingt.«
Wie der Leitnizer den Waldstein sagen hörte, daß man dem Teufel ein Meßlicht anzünden müsse, da wußte er, daß der Waldstein für die Sache, obwohl er sie für eine üble hielt, schon so gut wie gewonnen war, und daß es jetzt nur noch darum ging, sich mit ihm über die Höhe der Summe, die er empfangen sollte, einig zu werden.
»Sechshundert Dukaten, sagt Ihr, sei nicht viel?« erwiderte er. »Nun, man muß sich bisweilen auch mit einem guten Anfang zu begnügen wissen. Aber um den Teufel braucht Ihr Euch nicht zu scheren, die Sache steht unter höherer Protection. In zwei Tagen regiert Euer Stern, der Mars, im Bereich des Wagens, hab' ich mir sagen lassen, und da kann's Euch nicht mißlingen.«
»Soll die Sache in zwei Tagen vonstatten gehen?« fragte der Waldstein. »Und wer ist der Mann... «
»Davon später«, sagte der Leitnizer, sehr zufrieden mit dem, was er erreicht hatte. »Jetzt muß ich gehen, der Patron erwartet mich.«
Er kam noch ein zweites und ein drittes Mal. Beim drittenmal gab es kein »davon später« mehr, er war mit dem Waldstein in allen Stücken zu einem Einverständnis gelangt.
»Der Patron«, sagte er, bevor er ihn verließ, »will heute abend selbst mit Euch sprechen. Und das ist eine Ehre, die er nicht jedermann erweist. Geht, wenn es dunkel zu werden beginnt, vor Eurem Hause ein Weilchen auf und nieder. Man wird Euch holen. Aber wundert Euch nicht, wenn es etliche Zeremonien dabei geben wird. Denn der Patron läßt keinen gerne sein Gesicht sehen, auch will er nicht, daß man erfährt, wo er sein Quartier hat. Darin ist er eigen.«
Lang bevor es zu dunkeln begann, ging der Waldstein vor seinem Hause auf und nieder. Eine Stunde vorher hatte er vom Johannes Kepler erfahren, daß in der Nacht des Anschlags nicht der Mars, sondern die Venus im Bereich des Wagens der Regent war. Das beunruhigte ihn und machte ihn unsicher, aber es war zu spät, sich von der Sache zurückzuziehen.
Wie er nun so auf und nieder ging und schon ungeduldig zu werden begann, da kam ein Wagen die holperige Gasse hinuntergefahren. Vor dem Hause hielt er. Der Kutscher stieg vom Bock herab und öffnete den Wagenschlag. Er hatte den Hut tief ins Gesicht gezogen.
»Wenn's dem Herrn beliebt«, sagte er, »der Herr wird erwartet.«
Der junge Waldstein stieg in den Wagen. Und wie die Tür hinter im zufiel und er sich niederließ, hörte er neben sich aus dem Dunkel eine Stimme:
»Ich bitt' den Herrn, sich's gefallen zu lassen, daß ich ihm die Augen verbind'. Es ist so anbefohlen.«
Der Wagen hatte sich in Bewegung gesetzt.
    Es wurde eine lange Fahrt.
    Bald, schon nach einer Viertelstunde etwa, merkte der Waldstein mit Verwunderung, daß er nicht mehr auf den Pflastersteinen Prags dahinfuhr, sondern auf der vom Regen durchweichten Heerstraße durch offenes Land. Der Mann, der schweigend neben ihm saß, öffnete jetzt eines der Kutschenfenster. Ein herbstlichkalter Luftzug war zu verspüren und der Geruch der feuchten Ackererde. Von einem nahen Wald kam das Sausen des Winds und der Ruf eines Käuzchens. Jetzt schien man sich einem Dorf oder einem Gutshof zu nähern, denn man vernahm Hundegebell und das Brüllen der Binder. Es war ein Dorf, denn wie sie vorüberkamen, war ländliche Wirtshausmusik zu hören, eine Geige und ein Dudelsack.
    »Das ist Vlasic«, sagte der Mann neben ihm und schloß das Fenster wieder. »Wir fahren durch Vlasic. Von hier kommen Blaubeeren und Pilze nach Prag auf die Märkte.«
    »Ist es noch weit bis zu dem Quartier des Patrons«, erkundigte sich der Waldstein.
»Bis wohin?« fragte der Mann neben ihm.
»Zum Patron«, wiederholte der Waldstein. »Ich dachte, er hätte sein Quartier in

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